Religiöse Feiertage im laizistischem Staat
Am ersten November war Feiertag, und ich konnte mir noch nicht einmal eine Briefmarke kaufen. Das verwunderte mich doch sehr, wusste ich zwar das Frankreich mehrheitlich katholisch ist, doch wusste ich auch das es ein laizistischer Staat ist. Wie lassen sich gesetzliche (religioese) Feiertage mit Prinzip des Laizistismus vereinbaren?
12 Antworten
Man nimmt Rücksicht auf die religiösen Befindlichkeiten der Bevölkerung.
Fast 90% sind katholisch - das Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche aus dem Jahre 1905 betrifft ja nicht die freie Religionsausübung der Bürger als solche sondern ausschließlich die Trennung staatlicher Institutionen von der Kirche (insbesonders keine Finanzierung religiöser Institutionen, kein Religionsunterricht, keine Kreuze in öffentlichen Gebäuden, Kopftuchverbot in Schulen und Universitäten für das Lehrpersonal - seit 2004 auch für Schülerinnen und Studentinnen, Verbot auch anderer religiös motivierter Kopfbedeckungen in Schulen und Unis sowie in Behörden etc.).
Ein, wie in Frankreich vorbildlich laizistischer Staat, schützt (auch) durch gesetzlich geschützte Feiertage, die kulturell und religiös gewachsenen Traditionen seiner Bürger.
Daher hat man einige kirchliche Feiertage gesetzlich zugelassen.
Feiertage sind Ausdruck der Tradition und der Kultur des Landes. Jedes Land hat seine Feiertage. Es ist gut, dass Allerheiligen am 1. November auch in Frankreich ein gesetzlicher Feiertag ist, so wie in vielen anderen Ländern Europas auch.
Feiertage entspringen teils religiösen Traditionen, teils profanen historischen Ereignissen. Ob die Leute zu Weihnachten in die Südsee fliegen oder in die Kirche gehen, ist dem Staat egal. Der schützt nur den tariflichen Anspruch bei gesetzlichen Feiertagen ungeachtet ihres kulturgeschichtlichen Ursprungs.
Worum geht es dir?
Briefmarken kann man sich oft an Automaten ziehen.
Wo warst du am 1. November in Frankreich?
Wo warst du am 2. November? Wenn du auch da noch in Frankreich warst, hättest du dir doch da eine Briefmarke kaufen können, oder?
Die Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften in der Form des Laizismus ist sicher eine Utopie. Spätestens wenn eine Religionsgemeinschaft ein Grundstück erwirbt und/oder soziale Aufgaben übernimmt, denen der Staat nicht nachkommt oder nicht nachkommen kann, braucht es irgendeine Vertragsform. Und schon hast du keine strikte Trennung mehr von Staat und Religionsgemeinschaften.
Wie willst du den Staats-Laizismus gegenüber den Religionsgemeinschaften als (politische) Weltanschauung begründen, der das gesellschaftliche Leben prägt? Das ist eine schwierige Frage. Denn wird diese per se einfach als konstitutiv definiert, besteht in der Begründung kein Unterschied zum Dogmatismus in den meisten Religionsgemeinschaften. Damit wären laizistische Bewegungen gegenüber religiösen Bewegungen eindeutig staatlich bevorzugt. Nur dass man mich richtig versteht: Ich wende mich jetzt nicht gegen den Laizismus. Ich zeige nur auf, welche schwierigen Fragen das aufwirft. Bei einer angestrebten, strikt laizistischen Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften wäre es (und ist es in der Tat!) das Ende mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Aus diesem Grund finde ich die kooperative Zusammenarbeit von staatlichen Institutionen und Religionsgemeinschaften weitaus besser, angemessener und der jeweiligen Situation gerechter. Die laizistische Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften wie in Frankreich finde ich menschen- und gesellschaftsunwürdig. Ich respektiere durchaus andere Meinungen, aber ich nehme dieses Recht auch für meine Meinung in Anspruch.
Weil es eben nicht nur religiöse Feiertage sind.
Das Jahr in Feiertage zu unterteilen und damit eine gewisse Struktur zu geben, ist ein Bedürfnis, das völlig unabhängig vom religiösen oder nichtreligiösen Bekenntnis der Menschen ist. Welche Feiertage wann gefeiert werden, ist eine Frage der Kultur, der Tradition.
Unsere Kultur ist bei allem Laizismus über die letzten 2000 Jahre christlich geprägt. Demzufolge sind christliche Feiertage nicht nur religiöse, sondern eben auch tradierte Elemente unserer Kultur. Aus diesen Traditionen heraus sind christliche Feiertage gleichzeitig oft auch staatliche Feiertage. Und ein staatlicher Feiertag ist eben ein Feiertag für alle. Auf die Rolle und den Einfluss christlicher Lobby auf die Politik und den Staat will ich hier gar nicht weiter eingehen.
Natürlich kann man auch neue Feiertage einführen. Ob diese aber auf Dauer angenommen und ob die traditionellen Feiertage deshalb aufgegeben werden, ist fraglich. Aus volkswirtschaftlicher Sicht verbietet es sich auch, für alle möglichen religiösen und nichtreligiösen Gruppen separate Feiertage einzuführen.
Und so kommt es, dass ich als Atheist auch an christlichen Feiertagen (z. B. 6. Januar) zu Hause bleibe. :-)
Man erkennt die eben sehr gut an Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern. Mir persönlich ist in Deutschland kein Atheist bekannt, der diese Tage nicht auch feiern würde, aber eben nur als ein Fest zum feiern und nicht um die Geburt Jesu oder seine Auferstehung sich ins Gedächtnis zu rufen.
Deinem Beitrag ist nichts mehr hinzuzufügen.Sachich und objektiv.
Laizismus bedeutet,dass es eine strikte Trennung zwischen Kirche und Staat gibt, aber es bedeutet nicht, dass der Staat die Religionsausübung seiner Bürger unterdrücken darf.
Der Staat darf und muß sogar die Religionsausübung seiner Bürger unterdrücken, wenn diese die Rechte anderer unterdrücken oder beschneiden.
Wenn sie das tun, ja. Solange sie es nicht tun, nicht.
...so wie es in der Bibel steht, öffentlich gegen Hexen vor zu gehen.
Interessant. Wo steht denn das in der Bibel?
"Öffentlich gegen Hexen vor zu gehen", kannst du da eine oder mehrere Stellen dazu angeben?
Wo steht denn das in der Bibel?
Das steht im 2. Buch Moses, 22,17:
Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen.
Danke, wollte es gerade raussuchen.
"Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen." (Ex 22,17; vgl. Lev 20,27 und Dtn 18,10-12)
Die Stelle selbst war mir schon bekannt, aber dort steht eben nicht "öffentlich".
Außerdem muss man diesen Vers in dem Kontext lesen, in dem er steht. Die Kapitel vorher und nachher sind sozusagen der Strafrechtskatalog des Volkes Israel. Nach der Aufzählung der 10 Gebote (Ex 20, 1ff) kommen gewissermaßen die Einzelausführungen und Ergänzungsvorschriften. Es geht also nicht um Unterdrückung, sondern um Rechtsprechung im damaligen kulturellen Umfeld. Wenn man allein das Vorhandensein von Strafrechtsbestimmungen als Unterdrückung in Frage stellt, wie will man dann überhaupt eine öffentliche Ordnung aufrechterhalten?
Strafrecht unterliegt immer dem Wandel der Gesellschaft mit ihren Vorstellungen von Recht und Unrecht. Das ist auch in der Gegenwart so. Noch vor einigen Jahrzehnten stand es unter Strafe, bestimmte sexuelle Verbindungen einzugehen (z. B. Homosexualität). Heute betrachtet man das als ein Recht im Rahmen der sexuellen Selbstbestimmung.
Oder ein anderes Beispiel: Bis vor wenigen Jahrzehnten schützte man ungeborene Kinder vom Beginn ihrer Zeugung an und Abtreibung stand grundsätzlich unter Strafe. Die Abtreibungsparagrafen im Strafgesetzbuch wurde so verändert, dass von vielen Teilen der Bevölkerung die vorsätzliche Tötung von ungeborenen Kindern nicht mehr als schweres Unrecht empfunden wird. Einige Gruppierungen in der Bevölkerung sprechen sogar von einem Recht auf Abtreibung, weil diese dem Recht der sexuellen Selbstbestimmung der Frau zuwiderlaufe.
Du siehst, wie sehr sich die Vorstellung von Recht und Unrecht ändern kann. Ich will mir nicht ausmalen, wie künftige Generationen über uns denken und urteilen werden, wie wir mit unseren ungeborenen Kindern, den Müttern, den Vätern und dem beteiligten medizinischen Personal umgegangen sind oder wie wir die sexuelle Selbstbestimmung gesehen haben.
Auch wenn ich viel Dinge damals wie heute nicht billige, muss man das immer im geschichtlichen und gesellschaftlich-kulturellen Kontext betrachten und beurteilen. Davon scheint mir aber die o.g. Behauptung mit den Hexen weit entfernt zu sein.
Der Staat darf und muß sogar die Religionsaussübung seiner Bürger unterdrücken, wenn diese die Rechte anderer unterdrücken oder beschneiden.
Versuche mal heute in Deutschland eine Kirche in einem Wohngebiet mit so lauten Glocken wie vor 300 Jahren zu bauen oder, so wie es in der Bibel steht, öffentlich gegen Hexen vor zu gehen.