Kann man eine Klagerücknahme wieder zurücknehmen?
Kann man eine Klagerücknahme wieder zurücknehmen, wenn diese durch Nötigung des vorsitzenden Richters während einer Berufungsverhandlung herbeigeführt wurde? Der vorsitzende Richter unterstellt den Kläger falsche Angaben gemacht zu haben, unterstellt diesen Betrug (gegenüber Dritten) und Prozessbetrug und bot ihn an, er (der Kläger) solle die Klage zurückziehen andernfalls werde er (der Richter) nach Urteil die Akte der Staatsanwaltschaft weiterreichen. Der Kläger war ohne Anwalt zur Berufungsverhandlung gekommen. Als Zeugen des Vorfalls waren zwei Berufsrichter, zwei ehenamtliche Richter, die Protokollführerin sowie der Beklagte. Während der Beruhungsverhandlung war es dem Kläger nicht möglich die Unterstellung des Richters durch entsprechenden Gegenbeweis zu entkräftigen. Urkunden, die geeignet wären die Klägeargumente zu untermauern bzw. die Unterstellung des Richters zu entkräftigen, waren zu Hause. Was kann man jetzt als betroffener Kläger noch machen?
7 Antworten
Ich entnehme dem zunächst einmal, dass wir es mit einem Zivilverfahren zu tun haben, in dem die Klage des Klägers bereits erstinstanzlich abgewiesen worden sein muss. Sonst gäbe es ja kein Berufungsverfahren. Die Gründe für die Klageabweisung stehen im erstinstanzlichen Urteil, in dem Falle tippe ich auf ein Amtsgericht. Nun ist der Kläger als Berufungskläger in die zweite Instanz, sagen wir das Landgericht, gegangen. Wenn mir dort allerdings der Vorsitzende Richter a. LG Klagerücknahme nahelegt und den Fall nach Ausurteilung der StA weiterleiten würde, muss es schon handfeste und überzeugende Gründe dafür geben. Die kennt allerdings nur der Berufungskläger. Dieser sollte einmal in sich gehen, und falls er sein Berufungsklagebegehren aufrechterhalten will, unverzüglich einen Fachanwalt aufsuchen.
Mit einer Rücknahme der Klage widerruft der Kläger sein konkretes Rechtsschutzbegehren. Betroffen hiervon ist immer nur die konkrete Klage, das bedeutet, dass der materiell-rechtliche Anspruch und dessen Durchsetzbarkeit davon unberührt bleiben. Dementsprechend ist auch eine erneute Klageerhebung jederzeit wieder möglich.
Die Klagerücknahme ist in § 269 ZPO geregelt. Die Rücknahme kann entweder die gesamte Klage oder nur einen Teil der Klage betreffen.
Voraussetzung der Klagerücknahme ist eine einseitige Erklärung des Klägers. Die Rücknahme muss gemäß § 269 II ZPO schriftlich oder in einer mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht erklärt werden.
Die Rücknahme der Klage ist gemäß § 269 I ZPO nur mit Zustimmung des Beklagten möglich, wenn beide Parteien schon mündlich zur Hauptsache verhandelt haben. Denn in solchen Fällen hat der Beklagte unter Umständen schon ein schutzwürdiges Interesse an einer Sachentscheidung. Die Einwilligung des Beklagten wird vermutet, wenn er ihr nicht innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen nach Zustellung der Rücknahmeerklärung widersprochen hat.
Mit Rücknahme entfällt die Rechtshängigkeit der Klage rückwirkend. Eine Sachentscheidung ergeht dann nicht mehr.
Vorläufige, noch nicht rechtskräftige Entscheidungen, die während der Rechtshängigkeit ergangen sind, werden automatisch wirkungslos.
Die bisher entstandenen Kosten hat grundsätzlich der Kläger zu tragen, da er das Verfahren veranlasst hat und eine Sachentscheidung durch die Rücknahme der Klage verhindert hat.
Da jedoch nur die konkrete Klage zurückgenommen worden ist, kann Kläger jederzeit erneut dieselbe Klage erheben.
Erneute Klageeinreichung. Nicht Widerruf der Klagerücknahme. Aber, § 269 Abs. 6 beachten.
Aus zweierlei Gründen glaube ich, dass es sich um ein Sozialgericht handelt:
1.) Ich fand die Frage unter Fragen zum Thema "Sozialrecht".
2.) § 73 SGG: (1) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen.
Klagt man - wie hier geraten - einfach nochmal, sollte man diesmal einfach seine Urkunden mitnehmen zum Prozess!
Oder aber eine Strafanzeige gelassen hinnehmen und seine Urkunden im Strafverfahren vorlegen - oder vorher schon im Zuge der Ermittlungen. Dann sollte die Sache ja eingestellt werden, wenn die Urkunden etwas taugen.
Gruß aus Berlin, Gerd
Erstens kann es sich nicht um ein Zivilverfahren gehandelt haben, weil in der Berufungsinstanz, d.h. vor dem Landgericht oder ggf. vor dem Oberlandesgericht Anwaltszwang herrscht und der Berufungskläger die Berufung nicht einmal hätte allein wirksam zurücknehmen können! Welches Verfahren es war ist jedoch irrelevant, weil die Klage- oder Berufungsrücknahme als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung das Verfahren wirksam beendet hat. Man könnte höchstens auf die Idee kommen, diese Willenserklärung gemäß § 123 BGB gegenüber dem Berufungsgericht anzufechten. Allerdings halte ich die Erfolgsaussichten für eher gering, weil die bloße Ankündigung, dass die Akte einen "roten Deckel" bekommt (Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft sind rot) keine Nötigung darstellt. Damit gibt es allerdings keinen Anfechtungsgrund. Vielleicht wäre es wirklich sinnvoll, einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Ggf. sollte zuvor beim Amtsgericht ein Beratungshilfeschein beantragt werden, so dass sich die Kosten in Grenzen halten...