Ist eine rückwirkende AU bei Krankheit des Kindes wirklich nicht möglich?
Guten Abend liebe Community,
ich habe mal eine Frage zum Thema AU bei Krankheit des Kindes.
Unsere Tochter fiebert seit gestern Abend und damit mein Mann sie betreuen kann, ist er gestern Abend nicht zur Nachtschicht und heute morgen zum Arzt mit ihr gegangen. Jetzt hat er eine AU zur Betreuung des Kindes bekommen, aber erst ab heute. Auf Nachfrage hieß es, eine für einen Tag rückwirkende AU sei nicht möglich (ohne Begründung). Nun hat sich niemand den Zeitpunkt der Erkrankung ausgesucht, sodass wir natürlich gestern Abend nicht mehr beim Arzt anrufen konnten. Das ist insofern kein Drama, weil mein Mann dafür einen Urlaubstag einsetzen kann, aber blöd ist das ja schon, da er ein Problem hätte, wäre sein Vorgesetzter nicht so kulant. Wie sieht das rechtlich aus? Ist eine AU rückwirkend beim Kinderarzt wirklich nicht möglich? Bei unserem Hausarzt nämlich sehr wohl. Wären wir beim nächsten Mal in so einem Fall gezwungen, direkt das Krankenhaus aufzusuchen, obwohl das bei den Symptomen nicht nötig war?
LG
MaggieS.
5 Antworten
Klar darf der Arzt rückdatieren:
Nach § 5 Abs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien ist eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu zwei Tagen zulässig.
https://www.g-ba.de/downloads/62-492-1136/AU-RL_2015-12-17_iK-2016-03-04.pdf
Du musst auch den Text der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie dazu lesen :). Diese Richtlinie regelt sehr klar, dass der Arzt selbstverantwortlich darüber entscheiden kann inwiefern und unter welchen Umständen er AUs rückdatiert!
Das größte Problem hier ist oft, dass die Praxissoftware das nicht so ohne weiteres hergibt, i.e. nur die Eingabe des Tagesdatums akzeptiert.
Warum wohl - deshalb, weil es nicht gewünscht ist!
Jede Software ist abgenommen, und spiegelt die Funktionen wider, die darin vorkommen!
"Nicht gewünscht" ist nicht dasselbe wie "nicht möglich" oder "nicht erlaubt" - lies doch einfach die dämlichen Richtlinien...
Wer von uns beiden die "dämlichen" Richtlinien lesen (und verstehen) sollte, bist leider Du!
In § 3 (2) Spiegelpunkt 1 steht ganz klar, dass (entgegen dem, was die Fragestellerin fordert) keine AU für Beaufsichtigung, Betreuung und Pflege des erkrankten Kindes auszustellen sind.
In § 5 (3) Satz 1 steht außerdem, dass eine Arbeitsunfähigkeit für eine vor der ersten ärztlichen Inanspruchnahme liegenden Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden sollen.
==> Ich habe nie behauptet, dass es von dem zweitgenannten Paragraphen keine Ausnahme gibt, ansonsten wäre es keine "Richtlinie".
==> Allein dem erstgenannten Paragraphen ist jedoch zu entnehmen, dass der Arzt den Vater des Kindes wegen dessen Erkrankung gar nicht hätte krankschreiben dürfen!
Es ist einmal wieder so: "Mit einer wahren Präzision wird immer das Falsche gemacht" (Herr Koch, 1965).
Wir hatten den Fall bisher noch nicht, diesmal ging es einfach nur nicht anders, da ich der Arbeit nicht fern bleiben konnte.
Also ist der Arzt schlicht davon ausgegangen, dass das Daheimbleiben nicht nötig war?
Ich hab es noch nie erlebt, daß ein Kinderarzt nicht rückwirkend krank schreibt.
Achsooo, sorry, hat er auch. Es gab diesen blauen Schein auf Namen des Kindes.
Na, dann haben wir´s doch :)
Der Vordruck (Muster Nummer 21) müsste eigentlich doppelt, d.h. mit Durchschlag sein. Eine Ausfertigung muss dem AG vorgelegt werden, damit er das bei ihm beschäftigte Elternteil freistellt (und das Gehalt entsprechend kürzt), die andere Ausfertigung muss der Krankenkasse vorgelegt werden, die daraufhin das anteilige Krankengeld zahlt.
Etwas kompliziert, aber so müsste es sein...
Heißt das, unsere zweijährige hätte sich selbst betreuen können, wenn der Vater nicht hätte krankgeschrieben werden dürfen....?
Nein, aber auch Du hättest die vorgenannte Richtline lesen (und verstehen) müssen!
In § 3 (2) Spiegelpunkt 1, Satz 2 steht, was der Arzt hätte tun müssen - nämlich eine gesonderte Bescheinigung ausstellen, damit nicht der Arbeitgeber, sondern die Krankenkasse die Kosten trägt!
Rückwirkende AU ist deswegen normalerweise nicht möglich, weil der Arzt ja nicht kontrollieren kann, ob die Krankheit in dem Maße vorgelegen hat, wie der Patient es schildert.
Heißt das, in dem Fall wie geschildert, hätten wir am besten sofort das Klinikum aufgesucht?
Wahrscheinlich. Ich habe meine Informationen von unserem Kinderarzt, der mit rückwirkenden Attesten aller Art aus oben genannten Gründen seine Probleme hat, bin aber kein Profi, da wir glücklicherweise nie davon Gebrauch machen mussten.
@MaggieSimpson91,
warum unbedingt das Krankenhaus? Es gibt z.B. auch den ärztlichen Notdienst, der Hausbesuche macht.
Aber noch einmal: Ärzte dürfen eigentlich nicht rückwirkend krankschreiben (Absprache zwischen den Ärzteverbänden und den Krankenversicherungsträgern). Dies macht m.E. auch Sinn - alleine schon deshalb, um Mißbrauch vorzubeugen.
Und es gibt Ärzte, die es in bestimmten Fällen doch getan haben, und großen Ärger, Schriftwechsel mit Behörden und Rechtsanwälten hatten usw., die dann gesagt haben, dass sie es grundsätzlich nicht mehr machen. Wenn ich Arzt wäre, würde ich das genauso machen.
Eine rückwirkende AU ist nur ausnahmsweise zulässig, und führt regelmäßig zu extensiven Nachfragen der zuständigen Krankenversicherung. Das war früher nicht so streng, ist jedoch mittlerweile die Regel geworden weil diese Form der rückwirkenden Entlastung massiv missbraucht wird.
Krankenhaus und Notdienst erschien uns einfach übertrieben bei mäßigem Fieber. Beim nächsten Mal machen wir es dann aber so.
Das heißt, wir sind einfach nur "Opfer" der Missbrauchskultur?
Als Opfer würde ich mich an Eurer Stelle nicht sehen - Ihr habt es einfach falsch gemacht!
Ein Arzt kann unter Umständen rückwirkend krankschreiben, aber verpflichtet ist er dazu nicht. Da hat man halt Pech gehabt.
Nach welchen Kriterien entscheidet er das?
Normalerweise ist eine AU für bis zu 3 Tage rückwirkend zu bekommen..
Sollte an Lyca gehen:)
Wir normal auch nicht. Da ich aber unbedingt arbeiten mussten, ging es in diesem Fall nicht anders. Ich danke dir aber, dass du mir deine Erfahrung geschildert hast.
Zwei Tage kenne ich auf jeden Fall auch. Das ist schon sehr seltsam. Zumal eine Temperatur von 39,6° für mich schon ein Grund ist, sie nicht zur Betreuung zu bringen.
Ja das ist eindeutig zu hoch. Vielleicht hatte der Arzt einen schlechten Tag
@PeterJohann
(Zitat): "Klar darf der Arzt rückdatieren" (Zitat Ende)
So formuliert ist das falsch ==> siehe meinen Kommentar zur Antwort von @Lycaa