Darf der Arbeitgeber Toilettenpausen von der Arbeitszeit abziehen?
...bzw. ist es zulässig, dass man sich "ausstempeln" muss, um die Toilette benutzen zu können? Es handelt sich um eine moderne Bäckerei mit "Hygieneschleuse" - wenn man zu den Toiletten möchte, muss man durch die Hygieneschleue, wodurch aber automatisch die Arbeitszeit im System unterbrochen wird. Vielen Dank für eure Antworten! BenGates
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Die menschlichen Bedürfnisse stehen im Zweifel über den betrieblichen Interessen. Eine solche Anordnung (Untersagen) des Arbeitgebers wäre insoweit zumindest als sittenwidrig zu erachten und damit unwirksam - der Arbeitgeber darf den Gang zur Toilette außerhalb der regulären Pausenzeiten damit nicht untersagen, sofern nicht andere Umstände hinzutreten, welche einen Rückschluss auf den Mißbrauch (z.B. etwaig längere Privatgespräche zwischen Mitarbeitern) von eingeräumten Toilettenpausen zulassen.
Hingegen kann m.E. der Arbeitgeber zu zulässigen Prüf- bzw.Kontrollzwecken (z.B. hinsichtlich zu bezahlender oder nicht zu bezahlender, aber genommener Pausen und deren Häufigkeit), insbesondere wenn Mißbrauch dieser Pausen zu vermuten ist, derart begründet ein Ein- und Ausstempeln seiner Mitarbeiter verlangen.
Das Urteil sagt aus, dass man nicht gekündig werden kann. Für mich hat das nichts damit zu tun, ob man dafür ausstempeln muss (?)
Das Urteil behandelt u.a. die Kernfrage. Demnach also ist zunächst ersichtlich, dass ein Toilettgang außerhalb der regulären Pausen an sich vom Arbeitgeber eine zu duldende Arbeitsunterbrechung ist. Zudem geht daraus bei entsprechender Auslegung verständig hervor, dass ein Abzug von der Arbeitszeit unzulässig wäre, so dass im Ergebnis auch eine diesbezügliche Rüge des Arbeitgebers aufgrund einer Kontrolle der Stempelkarte oder anderen, geeigneten Prüfmitteln, wo u.U. mehrfache Toilettengänge verzeichnet sind, keinen Erfolg und damit erkennbar keinerlei Konsequenzen zum Nachteil des Arbeitnehmers hätte. ;-)
Somit kann der Arbeitnehmer, falls gefordert oder einem entsprechendem System geschuldet, insoweit beruhigt und bedenkenlos stempeln, sofern er nicht wie obig dargestellt, sich eines Missbrauchs solcher Pausen "schuldig" macht. Im Zweifel ist es demnach eine Einzelfallentscheidung und eine Beweisfrage im Streitfalle.
Aufgrund der vielen offenen Nachfragen zu einer gesetzlichen Regelung:
In gewisser Hinsicht wird man bei entsprechender Auslegung im § 616 BGB i.V.m. § 242 BGB bezüglich eines gesetzlichen Maßstabs fündig.
Also hier nochmal der Paragraph im Wortlaut zum Nachlesen: § 616 Satz 1 BGB: "Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird."
Entsprechend mittels obiger Vorschrift gestalterer Vortrag in Verbindung mit § 242: "Der Schuldner (Anm.: hierbei ist Arbeitsleistung geschuldet) ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern." ergibt meines Erachtens insoweit ein brauchbar ausreichendes und gewichtiges Argument. ZITAT VON SEMMEL76 ENDE ---------- Vielen Dank, Semmel76, ich denke die Frage ist hiermit beantwortet. MfG, BenGates :)
Sehr gerne geschehen - im Übrigen habe ich Ihnen zu danken... ;-)
Es soll ja schon einen Discounter gegeben haben, der den Kassiererinnen Windeln vorschrieb, das ist nicht legal. Ich habe auch schon gehört, dass eine Bank den Toilettengang von der Arbeitszeit ausschliesst, das war vor einigen jahren.
Irgendie scheint es doch rechtens zu sein, oder zumindest ne Grauzone.
Toiletten müssen auf jeden Fall für die Belegschaft bereitgestellt sein, in der Gastronomie sogar getrennt für Belegschaft und Gäste.
Die meisten Firmen akzeptieren den Klogang während der Arbeitszeit, bei uns wird auch die Raucherpause geduldet. In dem Mutterbetrieb von uns, wir sind nur ein Tochterunternehmen, aber auf dem Selben Gelände, müssen die Raucher stempeln.
Ein anständiger seriöser Betrieb gewährt den Mitarbeitern das Recht, während der Arbeitszeit mal auf die Toilette zu gehen, zumal mensch nicht immer steuern kann, wann er das Bedurfnis hat, und es ist immer noch besser, wenn ein Mitarbeiter z. B. an Durchfall leidet, weil er was schlechtes gegessen hat, dass er zur Arbeit kommt, als dass er sich krank meldet, und damit der Firma die Lohnfortzahlung auferlegt.
Er bringt zwar verminderte Leistung, aber der Saldo fällt besser aus.
Das Erfassen der Raucherpausen würde mir überhaupt nicht in den Kram passen, aber das müsste ich akzeptieren, das dies rechtens ist, das könnte ich nachvollziehen, und auch verstehen. Für erfasste Klopausen habe ich dagegen keinerlei Verständnis mit der Ausnahme, dass bei einem 5-Mann-Betrieb unmittelbar nach Arbeitsbeginn erstmal das tägliche rituelle sch...n angesagt ist :)
Aber im Laufe des Tages kann es jede(n) mal auch ausserhalb der Pausenzeiten überkommen. Und dann da stempeln zu müssen ist mehr als dreist.
Ihre Auffassung kann man getrost teilen. Allerdings soll angemerkt sein, dass beim Stempelvorgang oder anderen Zeiterfassungsystemen neben dem Zeitpunkt des Verlassens des Arbeitsplatzes auch erfasst ist, wann und nach welcher Zeitspanne der Arbeitnehmer dorthin zurückkehrt. Sofern also der Arbeitnehmer ausserhalb regulärer Pausen nicht über den Zeitraum von mehreren Stunden oder in auffälliger Häufigkeit unbegründet den Arbeitsplatz verlassen hat, wären diesbezüglich auch keine Rückfragen des Arbeitsgebers anhängig. Dass ein Abzug marginaler Fehlzeiten aufgrund von Notdurft von der geleisteten Arbeitszeit nicht statthaft ist, wurde bereits erörtert. ;-)
...einfach mal auf die Theke schei*en, weil man seine Arbeitszeit nicht opfern möchte. Vielleicht überlegt es sich der Chef dann ja anders...
Der Toilettengang kann nicht von der Arbeitszeit abgezogen werden. Dazu hatte ich vor nicht all zu langer Zeit ein Urteil gelesen, aber ob ich das auf die schnelle finde?! Ich suche mal, du kannst aber auch selbst mal schauen.
Semmel hat da weiter oben ein Urteil genant, meinst du das?
Ja :)
Danke schonma... bin selbst schon auf der Suche, deshalb die Frage :)
Ich wundere mich, dass es hier Antworten gibt, die dies rechtlich als Zulässig empfinden. Das Arbeitsgericht Köln hat unter dem AZ.: 6 Ca 3846/09 ganz klar ausgesagt, das Toilettengänge nicht zur Reduzierung des Arbeitsentgelt füheren dürfen.
Die Grenze zur Persönlichkeitsverletzung wird in der Regel dort überschritten, wo jeder Toilettengang während der Arbeitszeit systematisch erfasst wird – denn damit ließe sich ein vollständiges Bewegungsprofil eines jeden Mitarbeiters erstellen. Dies wird ja, wie von Dir geschrieben, bei Euch praktiziert. Ich würde mal mit dem zuständigen Datenschutzbeauftragten reden.
Hallo ropewe! Vielen Dank für deine Antwort. Jedoch kann ich unter diesem Aktenzeichen keine so genaue Aussage diesbezüglich finden. Im dort geschilderten Fall gab es keine systematische Zeiterfassung für Toilettenbesuche. (Zitat: "Soweit der Beklagte zu 2) auf übermäßige Pausen und insbesondere auch auf übermäßige Toilettenaufenthalte des Klägers verweist, ist dieser Sachvortrag rechtlich unerheblich. Denn er ist unsubstantiiert. Er resultiert allein aus einer Hochrechnung des Beklagten zu 2).") Deiner Aussage mit der Persönlichkeitsverletzung bei systematischer Zeiterfassung für Toilettenbesuche stimme ich zu, jedoch fehlt dafür wie gesagt noch das passende Urteil. (Quelle: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/arbgkoeln/j2010/6Ca384609urteil20100121.html)
Diese Aussage habe ich aus dem Fitting, Seite müsste ich noch mal suchen, kann ich abeer auf Wunsch machen, nur nicht heute ;)
Wenn jeder Mitarbeiter einer 5 Mann Starken Manschafft, 3 mal Täglich für 5 min. auserhalb seiner Pausen auf´s Klo verschwindet, sind das im Jahr 325 Std. die der Arbeitgeber ca. im Jahr Für null Leistung bezahlen müsste. Dies entspricht bei einem Stundenlohn von 13,50 € dann 4387,50 € Ist nach meiner Meinung also nicht mehr als fair da ein Riegel davor zu schieben. Lg Stefan
Ich war vor kurzem genau von diesem Problem betroffen: Sollte mich zwingend aus dem Zeiterfassungssystem ausloggen, wenn ich auf´s WC gehe. Wenn ich deine Antwort so lese bekomme ich das Gefühl, du bist auch einer dieser selbstgefälligen „Macher“, die in führender Position sind, besonders toughe Ansichten vertreten und meinen, sie wüssten alles besser. Und die kein Mensch danach fragt, wenn/wann sie selbst auf´s Klo gehen. Oder die „sich im Park um die Ecke kreativ inspirieren lassen“, während die doofen 450 Euro-Praktis fleißig schaffen. Klar kannst du dir das so hinrechnen, dass da ein finanzieller Verlust entsteht. Aber du müsstest auch nachweisen, dass, bedingt durch eine tägliche Abwesenheit von 3x5 Minuten, tatsächlich Arbeit liegenbleibt. Mag bei Fließbandarbeiten vielleicht so sein, insbesondere im Kreativbereich (bzw. da, wo es auf´s Denken ankommt) bezweifle ich das…Mal nebenbei: Habe selten so viele Rechtschreibfehler auf einem Haufen gesehen. Sorry, das musste jetzt raus. LG. Lilli
Ein hiezu interessantes, aktuelles Urteil in solchen Fragen habe ich für den Fragesteller auch parat, demnach: Arbeitsgericht Paderborn, Urteil vom 21.07.2010 (Aktenzeichen: 2 CA 423/10)