Anzeige wegen Körperverletzung bei "Notwehr" gegen Prank?
Jemand spielt einem Fremden, oder mehreren, einen sogenannten Prank. Relativ beliebt auf YouTube. Wenn der "reingelegte" aus Schreck und Reflex auf denjenigen dann losgeht, droht ihm eine Anzeige wegen Körperverletzung?
Es geht nicht darum dass derjenige dann auf ihn eingeschlagen hat, sondern ein gezielter Schlag in's Gesicht der zum K.O. und einer Verletzung führte.
7 Antworten
Probleme bei Notwehr kann man dann bekommen, wenn das Gericht der Meinung ist, dass die Verhältnismäßigkeit nicht beachtet wurde.
Mit deinen Informationen kann jetzt ein Außenstehender ziemlich wenig anfangen. Wenn der "Pranker" nur mal von hinten angerannt kam und das Opfer erschreckt hat, war so ein Schlag ins Gesicht vielleicht etwas übertrieben. Bei so einem Scare-Prank, wie sie zu Halloween ja so "cool" sind, wäre sowas meiner Meinung nach schon eher an Notwehr dran.
Übrigens sind es u.a. auch aus diesen Gründen heute fast keine Fremden mehr, die auf YouTube geprankt werden. Gescriptet ist sowas rechtlich legitimer und ergibt natürlich die spannenderen Reaktionen, als Resultat folgen demnach mehr Klicks und mehr Geld für weniger Risiko und weniger Aufwand.
Bei Notwehr gibt es keine Verhältnismäßigkeit.
Wie ich nach dem Posten gelesen habe, trifft bei diesem Prank eh der zweite, in meiner Antwort beschriebene Fall zu.
Ich glaube jetzt nicht, dass ein Gericht das nicht als Notwehr durchgehen lassen hätte. Hast du mit dem Fall denn irgendwas zu tun? Mich würds interessieren, ob diese Anzeige durch kam.
So pauschal lässt sich das nicht sagen. Aber wenn die REaktion angemessen ist nicht viel.
Aber ein ein Schlag oder eine Abwerhreakton aus aus Schreck lässt kaum einen ko gehen.
Es war ein Schlag in's Gesicht. Derjenige trug eine Maske. Er kippte direkt um.
Hallo allerseits,
da das Recht für juristische Leihen eigentlich überhaupt nicht zugänglich ist - insb. das umfassende und teils sehr komplizierte Notwehrrecht (selbst Juristen haben z.T. große Probleme mit der Einschätzung etwaiger Situationen) möchte ich mal versuchen zu helfen. Ich mache es hier nun mal etwas ausführlicher, da manche Antworten zu Notwehr-Fragen auf gutefrage mich letztlich zur Anmeldung auf dieser Seite bewegt haben (nicht übel nehmen^^).
Die nachfolgende Antwort erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit bzw. Vollständigkeit.
Es ist stets hilfreich im Rahmen eines Gutachtens vorzugehen. Auf diese Weise übersieht man möglichst wenig Punkte.
Wenn wir uns nun das entsprechende Delikt ansehen (in deinem Fall wohl eine einfache Körperverletzung), werden wir bereits für das spätere Verständnis unterteilen müssen:
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand § 223 I StGB (+) ich werde hier nun nicht definieren. Der OTB ist offensichtlich erfüllt.
2. Subjektiver Tatbestand § 223 I StGB
Der Täter (das bist jetzt du bzw. der geprankte) müsste vorsätzlich gehandelt haben (mit Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung). Da es das Ziel des Täters war, den "Pranker" k.O. zu schlagen, liegt sogar Absicht vor.
Der Tatbestand ist also unproblematisch erfüllt
II. Rechtswidrigkeit
Die Tat ist gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen einer Erlaubnisnorm (etwa die der Notwehr) erfüllt sind, so dass der Täter kein Unrecht begeht. Die Handlung ist dann seinerseits von dem anderen zu dulden. Notwehr ist hierbei derjenige Rechtfertigungsgrund, der ein tatbestandsmäßiges Verhalten am weitestgehenden rechtfertigen kann. Das liegt daran, dass eine Abwägung zw. verletztem und angegriffenem Gut nicht gegeben ist, lediglich im Rahmen der normativen Gebotenheit (später mehr) kann ein "krasses Missverhältnis" zum Ausschluss führen. Dieses wird nahezu niemals erreicht.
1. Objektiver Rechtfertigungstatbestand - Notwehr § 32 StGB
Eine Rechtfertigung der Tat nach der Notwehr erfordert immer eine "Notwehrlage", eine "Notwehrhandlung" und wohl den Verteidigungswillen.
a) Notwehrlage
Eine Notwehrlage erfordert einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut.
aa) Angriff
Ein Angriff ist jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung eines notwehrfähigen Rechtsguts. Dieses Verhalten muss weder vorsätzlich sein, noch schuldhaft o.Ä. sein.
Vorliegend hat der Pranker nur versucht dem Täter einen Schrecken einzujagen. In der Regel reicht das für einen Angriff bzw. ggf. sogar die Verwirklichung eines Tatbestandes - wie seinerseits einer Körperverletzung - nicht aus.
Ein Angriff liegt nicht vor.
Eine Notwehrlage ist nicht gegeben.
Notwehr scheidet als Rechtfertigungsgrund aus.
2. Subjektiver Rechtfertigungstatbestand - Notwehr § 32 StGB
Möglicherweise stellt der Täter sich hier jedoch eine Situation vor, die wenn sie vorgelegen hätten, ihn rechtfertigen würde.
Zu Überprüfen ist zunächst die hypothetische Situation (also die welche der "geprankte" sich nun vorstellt) und anhand dessen festzustellen, ob in diesem Fall eine Notwehrlage vorläge.
a) (Vorgestellte) Notwehrlage
aa) Angriff (definition s.o.)
Der geprankte bzw. Täter (folgend "T") stellte sich vor, dass er von einem anderen mittels Kettensäge in seinem Leben bedroht wird. T stellte sich damit unproblematisch einen Angriff vor (es geht hier um die tatsächliche Vorstellung des Täters! Ob der "Prank" leicht erkennbar ist, spielt hier noch keine Rolle!).
bb) Gegenwärtig
Der Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, bereits begonnen hat oder noch fortdauert.
In der Situation, die sich T vorstellte, konnte ein tödlicher Hieb durch den Angreifer jederzeit erfolgen, unproblematisch hat der Angriff bereits begonnen und dauerte noch an.
cc) Rechtswidrigkeit des Angriffs
Der Angriff muss ferner auf Basis der Vorstellung des T rechtswidrig gewesen sein. Der Angriff ist rechtswidrig, wenn er nicht seinerseits durch eine Erlaubnisnorm gedeckt ist und daher zu erdulden ist.
Der Angreifer war jedoch eindeutig nicht gerechtfertigt.
dd) Notwehrfähiges Rechtsgut
Das Leben bzw. auch die körperliche Unversehrheit sind unproblematisch notwehrfähige Rechtsgüter.
Eine Notwehrlage bestand aus Sicht des T.
b) Notwehrhandlung
aa) Verteidigungshandlung
Der "K.O. Schlag" war als Maßnahme gegen den vermeintlichen Angreifer eine Verteidigugnshandlung.
bb) Erforderlich
Diese Verteidigung muss sich auf Basis seiner Vorstellungen als erforderlich darstellen.
Erforderlich ist diejenige Verteidigung, die auf Grund eines objektiven ex-ante-Urteils geeignet erscheint, den Angriff zu beenden, und dabei unter den gleichermaßen effektiven Mitteln dasjenige ist, das den geringsten Verlust beim Angrifer bewirkt ("mildeste geeignete Mittel").
Ein Schlag der den Angreifer zu Boden gehen lässt ist geeignet und mitunter sicherlich das mildeste Mittel welches den Angriff beendet.
[Anmerkung an Pranker: Auch ein tödlicher Schuss wäre in dieser Situation sehr einfach zu rechtfertigen, da kann man noch so restriktive Ansichten bei dem Einsatz tödlicher Verteidigungsmittel haben wie man will, ist der bedrängte auf engstem Raume (Fahrstuhl) und sein Leben bedroht bzw. in der Vorstellung, so kann man sehr einfach auch zu tödlichen Verteidigungsmitteln greifen. Insbesondere gilt der Grundsatz, dass man sich als Verteidiger auf KEINEN UNGEWISSEN KAMPF einlassen muss, falls Zweifel bezüglich der Mittel bestehen. In der o.g. Situation des Fragestellers wären Hieb-/Schuss-/Stichwaffeneinsätze m.E. sehr einfach zu rechtfertigen.]
Die Verteidigung war erforderlich.
cc) Gebotenheit der Notwehr
Die Verteidigung war aus Sicht des T auch (normativ) geboten. Sozialethische Einschränkungen kommen nicht in Betracht.
c) Verteidigungswille
T handelte mit der ABsicht sich zu verteidigen.
Ergebnis: T stellte sich tatsächlich eine Situation vor, die wenn sie vorgelegen hätte, ihn rechtfertigen würde.
Damit befindet sich T in einem sogenannten "Erlaubnistatbestandsirrtum". Dieser ist gesetzlich nicht geregelt und muss den §§ 16, 17 StGB zugeordnet werden.
Anmerkung: der sog. "ETBI" ist eines der zentralsten und mit ABstand wichtigsten Themen des Strafrechts überhaupt, wegen seiner praktischen Relevanz und seiner dogmatischen Schwierigkeiten wäre nun in einer juristischen Klausur eine sehr sehr lange Ausführung geboten welche genau aufschlüsselt, wie man nun zu dem Ergebnis kommt, dass § 16 StGB analog angewendet wird. Das erspare ich gutmütig allen Lesern und spreche daher im Ergebnis:
Nach ganz herrschender Auffassung ist die sog. "eingeschränkte Schuldtheorie" anzuwenden, diese wendet § 16 StGB analog an, nach der Theorie des Ausschluss des Vorsatzunrechts entfällt daher im subjektiven Rechtfertigungstatbestand das Unrecht des Vorsatzes des T.
Das Ergebnis ist: T hat zwar (tatbestandlich!) vorsätzlich gehandelt, dieses wird ihm aber nicht als Unrecht (rechtfertigungsebene!) zuerkannt. T handelte analog § 16 StGB nicht vorsätzlich.
T hat sich keiner Körperverletzung gem. § 223 I StGB strafbar gemacht.
Eine Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit bleibt unberührt.
T kann sich durch den Schlag daher einer fahrlässigen Körperverletzung gem. § 229 StGBstrafbar gemacht haben.
I. Tatbestand
1. Erfolg: Der Angreifer wurde durch den Schlag in das Gesicht verletzt.
2. Verletzung einer objektiven Sorgfaltspflicht
Für eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ist erforderlich, dass T eine objektive Sorgfaltspflicht verletzt hat.
Darunter ist die Nichtbeachtung einer Regel zu verstehen, die ein gewissenhafter und einsichtiger Teilnehmer des entpsrechenden Verkehrskreises eingehalten hätte, um eine Tatbestandsverwirklichung zu erkennen und zu vermeiden.
Hier täuschte der Angreifer einen Angriff auf den T vor. [ab hier meine Vermutungen, da die Frage hier etwas unpräzise war] Bei lebensnaher Auslegung des Sachverhalts sah die Kettensäge täuschend echt aus. Das sage ich mal so, da sog. Youtube-Pranker i.d.R. echte Kettensägen (mit Motor) benutzen bei welchem die Sägeblätter abgenommen wurden. Nachdem etwaige Person schreiend auf T zuging (vermutlich mit laufendem Motor) liegt eine scheinbare Bedrohung seines Lebens vor. In einer solchen Situation ist eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durch T nicht erkennbar.
Eine Strafbarkeit der Fahrlässigkeit scheitert bereits an eienr objektiven Sorgfaltspflichtverletzung.
Anmerkung und Fazit: Auch individuell kann von T hier nicht verlangt werden, besonnen "den Scherz zu erkennen". Der Angreifer riskiert daher effektiv in solch einer Situation sein Leben, da er stets den Verteidiger T in einen Erlaubnistatbestandsirrtum versetzt. Im Rahmen dessen würde auch - wenn wir den Fall etwas drastischer ausgestalten - eine Tötung des Angreifers straflos ausgehen. Es ist hierbei auch egal ob T illegal etwa eine Schusswaffe zur Selbstverteidigung bei sich trug. Lediglich müsste T in diesem Fall mit einer Anklage wegen unerlaubtem Waffenbesitzes - jedoch mit keiner Strafe aus Totschlag/fahrlässiger Tötung rechnen. Solche Pranks sind rein rechtlich betrachtet für den vermeindlichen Angreifer also hochgradig gefährlich. Es ist dringend hiervon abzuraten.
Ich hoffe ich konnte etwas helfen! ;-)
Viele Grüße
Keine Ahnung wie das genau juristisch behandelt wird, aber ich persönlich finde es absolut die richtige Reaktion. Wer mich (wenn auch nur gefaked)angreift, muss mit einer Abwehrreaktion rechnen. Und wenn von diesen Idioten öfter mal einer umfällt, wird so ein hirnloser Blödsinn vielleicht nachlassen.
Falls eine Strafverfolgung erfolgt wird ein Staatsanwalt oder Richter entscheiden ob Putativnotwehr vorlag. Wenn >JA< bleibt die Handlung straffrei.
https://de.wikipedia.org/wiki/Putativnotwehr
Dieses "gepranke" kann schnell in einer Anzeige wegen Körperverletzung enden.
AH besten Dank! Den Begriff kannte ich noch gar nicht!
Aber ziemlich frech jemand völlig fremdes in so eine Situation zu bringen, der eigentlich nur keine 15 Stockwerke zu Fuß gehen wollte... In einer Geisterbahn wäre das ja was anderes.. aber in einer öffentlichen Einrichtung ist es ja wohl ein Unding dass man mich erschreckt, und ich dann noch eine Strafe kriege wenn ich in einer Sekunde aus "Relfex" einem maskierten Idioten ein's überziehe. Soll ich beim nächsten mal warten bis es sich als "real" entpuppt und er mich wirklich zersägen wollte? :D