WWeniger netto trotz mehr brutto?
Viele Kollegen von mir sagen, dass sie an einer einkommensgrenze sind, bei der sie weniger netto bekommen würden, wenn sie jetzt noch überstunden/Prämien etc. machen/erhalten würden. Kann das sein? Normalerweise wird doch im progressiven Steuersystem nur das zusätzliche Einkommen höhere versteuert, das bisherige wird doch gleich versteuert. Also hat man doch eigentlich immer mehr netto, wenn man mehr brutto verdient? Oder gibt es andere abgaben/gebühren/steuern die hier noch relevant sind? (Sonderfälle wie Hartz 4 o.Ä. Natürlich außen vor gelassen)
5 Antworten
Die Besteuerung macht keine plötzlichen Sprünge. Da werden landläufig oft unwahre Dinge erzählt.
Wer 3000 Brutto verdient, kommt vielleicht auf 1900 Netto. Bei einer Verdopplung des Brutto auf 6000 verdient man jedoch nicht auch das doppelte Netto, sondern "nur" 3400 anstatt 3800.
Oder deine Kollegen meinen z.B. dass bei einer einmalig bezahlten Prämie, besonders hohe Steuern anfallen. Das ist zwar korrekt, man muss viel Steuern abführen, aber bekommt dann bei der Steuererklärung das meiste zurück.
Wenn du eine Einmalzahlung bekommst, erhöht sich in diesem Monat dein Gehalt.
Die Steuern werden pro Monat aber so berechnet, indem das aktuelle Monatsgehalt auf 1 Jahr hochgerechnet wird, dann die Steuerformel angewendet wird und dann wieder durch 12 geteilt. Sorry, etwas kompliziert formuliert. Jedenfalls "tut man so", als hättest du dieses Gehalt das ganze Jahr über, dementsprechend fallen überproportional hohe Steuern an.
Wenn du dann aber eine Steuererklärung machst, wird die tatsächliche Jahressumme zur Hand genommen, daher kriegst du die zuviel bezahlten Steuern wieder zurück.
"das bisherige wird doch gleich versteuert."
Nein, das gesamte Einkommen wird einheitlich dem neuen Steuersatz unterworfen. Es sei denn, du meinst die lohnsteuerlich unterschiedliche Behandlung von laufenden Zahlungen und sonstigen Zahlungen.
Durch die Progression des Steuersatzes kommt es dazu, dass das Nettoeinkommen nicht in dem Maße steigt, wie das Bruttoeinkommen.
Aus alten Zeiten hat sich die Mär gehalten, dass durch "Sprünge" in den Steuersätzen bei einer kleinen Bruttosteigerung sogar eine Nettosenkung stattfinden könnte. Dieses Schreckgespenst nannte man Kalte Progression.
Ob das früher tatsächlich so war, weiß ich nicht. Der progressive Steuersatz steigt so allmählich, dass es heute mathematisch nicht möglich ist, durch eine Bruttosteigerung eine Nettosenkung zu bewerkstelligen.
Daher tut man sich auch heute schwer, den Begriff Kalte Progression und "normale" Progression inhaltlich voneinander zu trennen.
Je nach Quelle gibt es unterschiedliche Deutungen des Begriffes:
- Wie oben, weniger Netto durch Steuersatzsprung (veraltet / widerlegt)
- Bei einem Kaufkraftverlust von n% reicht eine Bruttoerhöhung von n% nicht aus, um die alte Kaufkraft wiederherzustellen, da die Progression für eine geringere Nettosteigerung sorgt (Kaufkraftverlust trotz Kompensation).
- Ungleichverhältnis zwischen Bruttosteigerung und Nettosteigerung (dies ist aber inhaltlich identisch mit dem Progressionsbegriff)
Dieses Schreckgespenst nannte man Kalte Progression
Nein, die "Kalte Progression", die es auch heute noch gibt, ist etwas anderes.
Sie entsteht dadurch, dass die Gehälter zwar nominell steigen (und dadurch auch der persönliche Steuersatz), die Kaufkraft aber stagniert.
Anders ausgedrückt: durch eine Gehaltssteigerung habe ich zwar mehr Geld in der Tasche, das aber wegen der Preissteigerung nicht mehr wert ist, jedoch dennoch höher besteuert wird.
"Nein, das gesamte Einkommen wird einheitlich dem neuen Steuersatz unterworfen." Das stimmt doch m.E. Nicht? Z.B. liegt die Grenze von 14 zu 24% bei 13670€. Wenn ich jetzt genau den Betrag verdiene, muss ich 13670 - Grundfreibetrag (8652€) mit 14% versteuern. Verdiene ich jetzt 13671, dann muss ich die Differenz immer noch mit 14% besteuern, nur den zusätzlichen € mit 24%. Oder etwa nicht? Sonst würde der 1€ mehr mich ja 500€ Steuern kosten.
Mehr brutto ist mehr netto. Das natürlich die Abgaben steigen ist klar aber wer ein höheres brutto erzielt, erhält auch mehr netto. Weniger geht nicht.
Das ist Quatsch solange man in derselben Steuerklasse bleibt.
Doch, dass geht. Nennt sich kalte Progression. Etwas mehr Brutto sorgt für die nächste Steuerstufe und schwupps fehlen 25-125€ netto.
Erstens haben die Steuertarife keine Stufen (mehr), und zweitens ist die "kalte Progression" etwas völlig anderes. Siehe meinen Kommentar zu Mojois Antwort.
Es wird viel darüber geredet, wenn man von einem zusätzlichen Bruttolohn weniger als ohne dieser zusätzlichen Zahlungen in der Tasche hat, hätte man Abzüge von über 100 % des Bruttolohns, das ist eine Binsenweisheit.
Mehr brutto bedeutet auch mehr Steuern. Da brauchst du nur paar Euro mehr zu haben, und schon rutschst du in eine höhere Steuergruppe.
Nicht zu verwechseln mit Steuerklasse.
auweia. Ich fürchte, ich habe da wohl etwas verwechselt. Das kommt davon, wenn man nicht richtig überlegt. Entschuldige vielmals.
Was ist eine Steuergruppe? Gibt online keine definition davon. Meinst du die Abstufungen der Einkommenssteuererklärung? Steuerklasse ist ja 1-6, je nach Familienstand etc.
Wieso fallen für Prämien so viel Steuern an? Wieso kriege ich diese wieder zurück?