Wie sehr haben Politiker den bezug zur Realität verloren?

Extrem viel 77%
Etwas 23%
Semi 0%

13 Stimmen

7 Antworten

Die Frage lässt sich so nicht beantworten.

Es gibt Politiker, die mit der Realität komplett auf Kriegsfuß stehen (vorwiegend AfD).

Es gibt Politiker, die die Realität überspitzen und sich etwas rauspicken, um populistische Spielchen zu spielen (Die Linke beispielsweise).

Es gibt Politiker, denen die Realität egal ist und die sich nur um sich selbst oder ein bestimmten Klientel kümmern (korrupte Wirtschaftslobby der CDU).

Es kommt weder bei einem Formenchef, noch bei einem Politiker, noch bei einem Prominenten darauf an, wieviel er/sie verdient. Die berühmte Bodenhaftung nicht zu verlieren hat mit anderen Dingen zu tun. Vor allem ist es wichtig, dass man sich mit Menschen umgibt, die auf Sachebene wirklich Ahnung haben. Die den Kontakt zu "denen da unten" halten. Ich bin eigentlich gegen diese Einteilung zwischen oben und unten, denn das hat ja eine negative Wertigkeit.

In der SPD halten unsere Politiker den Kontakt zur sogenannten Basis über Arbeitsgruppen, Kommunalpolitiker und so weiter. Die sollen dann den direkten Draht zur Bevölkerung haben. In der Theorie funktioniert das auch. In der Praxis haben wir aber aktuell die ein oder andere Generation vor uns, wo kaum noch jemand kommunal engagiert ist. Wenn man Bürgergespräche hat, sind es immer dieselben zwei oder drei, die dann kommen. Der Rest ist entweder zu 100% desinteressiert oder verweigert sich und meckert nur noch vor sich hin.

Ich persönlich hab 0 Verständnis für Menschen, die auf Einladungen nicht reagieren, nicht mitarbeiten wollen an Themen und dann plötzlich hinterher nur am Meckern sind, dass es nicht so gemacht wird, wie sie wollen. Ich kann viele Beispiele nennen. Eines davon: Wir laden zur Umstrukturierung der Kita-Gebühren ein, weil die eigentlich ungerecht waren. Kostenlos kann sich unsere Gemeinde nicht leisten. Eigentlich sollte das doch sehr viele Eltern interessieren. Es kam exakt eine Person, die konstruktiv mitgearbeitet hat. Ein halbes Jahr später der große Aufschrei, wie ungerecht das doch werden würde, was wir ausgearbeitet hatten. Als wir gefragt haben, wo sie ein halbes Jahr vorher waren, gab es keine Antwort oder teilweise ein "Hatten keine Zeit". Für so ein Verhalten habe ich 0 Verständnis. Wenn ich keine Zeit habe, aber mich etwas interessiert, frage ich wenigstens nach, ob man den Termin nicht nochmal wiederholen kann oder sowas...

Aber es scheint, dass unsere Gesellschaft inzwischen so tickt. Nichts mehr selbst gestalten aber permanent nur meckern. Wenn die Gesellschaft so eingestellt ist, ist es für die Politik verdammt schwer, den Kontakt zu halten.

Extrem viel

Die schweben mehrere Meter über dem Boden der Realität und glauben noch dabei an das was sie uns erzählen. Mit immer noch mehr Gesetze lösen unsere Probleme nicht, wir brauchen mehr Macher als Schwätzer.

xubjan  10.04.2021, 07:30

Was sollen die Macher denn machen? Mehr Gesetze, die die Probleme nicht lösen? Und wer ist "uns"? Ich beispielsweise suche ständig nach Leuten, die bereit sind, zu gestalten und zu machen. In der Bevölkerung findet man so gut wie niemanden mehr. Viele haben keine Zeit mehr, wollen lieber ihr Leben genießen, statt zu machen. Im Grunde ist dagegen nichts zu sagen. Aber wer sich verweigert und gleichzeitig nur meckert, man höre ihm nicht mehr zu, der hat einen Denkfehler.

emerel  10.04.2021, 10:18
@xubjan

Ein Beispiel, wenn man als Politiker jahrelang von Digitalisierung spricht und selbst kaum einen PC beherrscht, ist man fehl am Platz, dann ist man nur Schwätzer, aber kein Macher.

Wir haben schon seit vielen Jahren einen angeblich lesbaren Personalausweis, ich habe noch auf keinem Amt erlebt, dass man statt ein Formular mit Name, Adresse usw. auszufüllen (wie z.B. beim Hausarzt einfach statt der Mitgliedkarte der Krankenkasse) seinen Ausweis durch ein Lesegerät zieht und die Daten sind ohne Formular erfasst.

xubjan  10.04.2021, 14:37
@emerel
Ein Beispiel,

Schönes Beispiel. Von welchem Politiker sprichst du da?

 ist man fehl am Platz, dann ist man nur Schwätzer, aber kein Macher.

Wieso? Ich bin seit Jahrzehnten Informatiker und ganz ehrlich: Ich kapiere bei weitem nicht alles. Warum auch? Ich habe mich spezialisiert. Ich kenne so einige Informatiker berufsbedingt, die sich beispielsweise nicht mit Windows auskennen. Warum auch? Sie sind Maschinenprogrammierer, haben täglich mit Industrieanlagen zu tun und da gibt es nirgendwo Windows. Das sind nur einige Beispiele.

Das eine (Digitalisierung) hat mit dem anderen (PC) nicht zwangsweise und ausschließlich zu tun. So etwas sollte man auch mal bedenken.

Ich erahne, was du meinst, aber gerade als Bundespolitiker muss man nicht von allem direkt Ahnung haben. Aber man muss ein Team haben, was einem die Facharbeit zuverlässig abnimmt. Wenn ich unterwegs bin und Unternehmen unterstütze als Business-Angel, dann werbe ich immer dafür, dass an der Unternehmensspitze alles vertreten ist, aber nicht in einer Person. Es ist vollkommen unnötig, an der Unternehmensspitze eines Tech-Unternehmens einen Kaufmann zu haben, der der Super-IT-Profi ist. Umgekehrt muss der IT-Chef nicht der super Kaufmann sein. Der Trick ist, die Aufgaben im Team zu verteilen und Hand-in-Hand zu arbeiten.

So ähnlich kannst du es auch bei den Politikern denken. Natürlich ist es gut, wenn jemand vom Fach in einem Fachbereit arbeitet. Die CDU macht vor, wie es nicht geht. Da werden Pöstchen nur der Macht wegen vergeben, nicht, weil man vom Fach ist. Die SPD arbeitet da anders. Und wieder zum Glück anders. Beispiel Lauterbach bei Corona: Er ist derjenige, der vom Fach ist aufgrund seines Studiums usw., also ist er derjenige, der da auch etwas zu sagen hat. Das ist dann Team-Arbeit.

Wir haben schon seit vielen Jahren einen angeblich lesbaren Personalausweis, ich habe noch auf keinem Amt erlebt, dass man statt ein Formular mit Name, Adresse usw. auszufüllen (wie z.B. beim Hausarzt einfach statt der Mitgliedkarte der Krankenkasse) seinen Ausweis durch ein Lesegerät zieht und die Daten sind ohne Formular erfasst.

Sehr gutes Beispiel. Das meine ich auch so.

Allerdings sollte man sich hier damit beschäftigen, woran das liegt. Hier mal Randinfos:

  1. Es war lustigerweise die FDP, die versucht hat, die Einführung des nPA bis 2020 zu verhindern. Lustig deswegen, weil sie ja diejenige ist, die ständig schimpft.
  2. Leider gibt es in Deutschland die Abart, an vielen Ecken der Verwaltung föderal sein zu wollen. Das führt dann dazu, dass (theoretisch) jede Kommune etwas eigenes haben darf, eigene IT-Systeme usw.
  3. Man hat jeder Kommune überlassen, freiwillig zu entscheiden, was sie wie umsetzte. Mit dem Effekt: Erst mal wurde gar nichts gemacht. Es gab dann in den letzten Jahren Gesetze, die irgendwann zwangsweise der Kommune vorschrieben, XX Anwendungsfälle zu digitalisieren. Wie und was war wieder offen gelassen. Und selbst dann haben es viele nicht gemacht.

An der Stelle würde ich mich freuen, in zentralistischen Staaten zu leben. Ich weiß es nicht, aber ich denke, in Frankreich ist es einfacher. Da dürfte es nämlich nur eine Amts-Verwaltungssoftware geben. Die kann man dann zentral ersetzen und dann muss jede Kommune mitziehen. Bei uns leider unmöglich.

Da kannst du Macher sein, wie du willst, das Grundgesetz ändern und den Föderalismus abschaffen, das kann man nicht einfach so und das würde auch niemand machen wollen, "nur" wegen der Digitalisierung.

Ist kein neues Phänomen

Extrem viel

Das in den letzten Jahrzehnten geschaffene Politmodell ist total aus dem Ruder gelaufen, und gleicht zudem einer Gelddruckmaschine.

Nehmen wir nur mal einen "kleinen" Politiker, wie einen Bürgermeister. In NRW erhält der Bürgermeister bei Städten bis zu 10.000 Einwohnern 7.956,91 Euro Brutto (Besoldungsgruppe B2). Das ist schon eine Hausnummer für sich.

Ist es damit zu Ende?

Nein.

Ein Bürgermeister erhält in der Regel einen Aufsichtsratposten bei den Wasserwerken, den Stromversorgern, der Sparkasse und der Müllentsorgung. Stellungen die im 6 stelligen Bereich dotiert sind.

Und so ist es auch nicht verwunderlich, wenn der Bürgermeister zwei Jahre nach seiner Wahl in eine unverschuldete Millionenvilla einzieht.

Deutschland ist ein politischer Selbstbedienungsladen.