Total überfordert mit Strafrecht?

Moin,

den tipp willst du wahrscheinlich nicht hören, aber pausiere erst mal. Ich weiß nicht, welcher Lehrer sowas empfiehlt.

Jura ist so schon für die meisten genug zu tun. Jura neben der Schule ist eigentlich Wahnsinn. Chapeau an dich, dass du es bis hierher mitgemacht hast!

eine Klausur im Strafrecht wirst du aber nur bestehen, wenn sowohl das materielle recht sitzt, als auch der gutachtenstil. Du kannst jetzt entweder alles über Skripte reinpressen.

ich denke aber, dass sich sowas später rächt. Dann sitzt entweder nie der Gutachtenstil oder die Grundlagen im Strafrecht. Beides wirst du für den Rest deiner juristischen Karriere benötigen.

es wäre auch schade, wenn deine Begeisterung für Jura dadurch endet, dass du dir Zuviel Stress gemacht hast...

Strafrecht ist nicht einfach und auf 3 Wochen zu viel. Du brauchst die Schematas, am besten sollte man sich die aus den Gesetz rauslesen können. Die Definitionen brauchst auch. Mit Meinungsstreitigkeiten brauchst nicht mehr anfangen.

Vor allem wennst noch nicht mal den Gutachtenstil beherrschst.

Also zunächst einmal brauchst du dir kein Stress machen wegen einer Klausur, die du freiwillig (!) mitschreibst. Selbst wenn du durchfallen solltest, ist das kein Drama. Du kannst nur gewinnen. Wurde das Klausurthema eingegrenzt?

Grundsätzlich kann man von dir nicht erwarten, dass du den Gutachtenstil bereits beherrschst, das kann man nicht einmal von Erstis vollständig erwarten, die sich nur auf Jura konzentrieren. Im Groben läuft das mit dem Gutachtenstil so: Du stellst eine Hypothese auf, die du anschließend untersuchst. Hierzu musst du ggf. die Voraussetzungen für den Eintritt der Hypothese herausarbeiten und dann diese Voraussetzungen mit dem Sachverhalt abgleichen. Erst am Ende dieses Vorgangs kommst du zu einem Ergebnis.

Bsp:

A könnte sich wegen Totschlag gem. § 212 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem (die Korrektoren sind immer ganz scharf darauf, wenn die Tathandlung schon im Obersatz benannt wird) er den B ein Messer in den Rücken rammte. Dafür müsste er den Tod des B kausal und objektiv zurechenbar verursacht haben. Kausalität liegt vor, wenn ...; Ein Erfolg ist dem Täter zurechenbar, wenn ... Somit hat A den objektiven Tatbestand erfüllt. Weiter müsster A auch vorsätzlich gehandelt haben. Vorsatz ist ... A nahm es billigend in Kauf, dass B stirbt. Somit handelte A vorsätzlich.

Dagegen:

B hat sich wegen Totschlag gem. § 211 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Ein Totschlag setzt voraus, dass ... Gemessen an diesen Maßstäben hat A eine zurechenbare Tathandlung begangen ...

Eine Klausur in Jura ist wie eine Matrjoschka. Du stellst zu beginn eine große Frage: Hat er sich nach dem und dem Delikt strafbar gemacht? Die ganzen Schemata geben die Voraussetzungen für die Beantwortung wieder. In ihnen stecken aber wiederum weitere Fragen, die beantwortet werden wollen, insbes. in der Objektiven Zurechnung ist das bei Anfängern beliebt. Dann geht man wieder genau so vor: Der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges müsste dem Täter objektiv zurechenbar sein. Ein Erfolg ist dann objektiv zurechenbar, wenn er (...). Die eigentliche Kunst besteht darin, das offensichtliche kurz zu halten und in einem Satz festzustellen. Du musst versuchen, Klausuren lesen zu lernen. Die meisten Klausuren enthalten nämlich ziemlich eindeutige Hinweise auf ein bestimmtes Problem oder helfen dir dabei, wenn du darüber nachdenkst, ob der Sachverhalt zu dem Problem passt, das du dir kurz vor der Klausur noch reingepresst hast. Dafür brauchst du Übung im Klausuren schreiben, weshalb ich dir ans Herz lege, deine ganzen Zusammenfassungen erstmal weg zu legen und Fälle zu machen.

Ohne gelernte Probleme kommt man im Strafrecht leider nicht aus, was aber nichts daran ändert, dass du wissen solltest, warum es da ein Problem gibt. An welcher Norm macht man das fest? Ich würde mich auf die gängigsten Probleme konzentrieren. Das ist bei Anfängern sicherlich Täterschaft und Teilnahme und, soweit der Mord schon besprochen worden ist, die Akzessorietätslockerung nach § 28 StGB. Es werden auch gerne Rechtsfertigungsgründe geprüft. Notwehr und Notstand sollte man können, das Festnahmerecht sowie die zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe (nur bei Sachbeschädigungen) sollte man zumindest grob kennen.

1. Verabschiede dich von dem Gedanken alles zu wissen. Das ist unmöglich. Viel wichtiger ist es, dass du die Grundsätze verstehst. Wenn du in der Tatbestandsprüfung ganz sauber und systematisch prüfst, kommst du fast von alleine zu den Problemen. Ob du diese nun so entscheidest wie die Obergerichte oder nicht ist egal. Du musst deine Entscheidung nur begründen können.

2. Definitionen müssen sitzen. Strafrechtsklausuren sind Rennfahrerklausuren. Man hat 5 Stunden Zeit und die braucht man auch. Bist du nach 3 Stunden fertig, schau lieber nochmal nach ob du nicht etwas vergessen hast. Oder ob du einen weiteren Beschuldigten übersehene hast... Falls du die Definitionen nicht auswendig kennst, musst du sie nachlesen. Und das kostet sehr viel Zeit. Zeit, die dir nachher fehlt.

3. Schreiben, schreiben, schreiben... Der Gutachtenstil geht nur dann in Fleisch und Blut über, wenn du viel übst - und viele Fehler machst. Am besten suchst du Übungsklausuren und deren ausformulierte Lösungen. Falls du sie findest, schau zuerst in gut bewertete und danach auch in schlechter bewertete hinein. Wenn dir ein schlechter Stil auffällt, dann bist du kurz davor den Gutachtenstil verinnerlicht zu haben 😉

Viel Erfolg!