Kann mir jemand diesen Teil der Rede Ciceros erklären?
Ich habe im Lateinunterricht aus dem Heft "Cicero, Pro Ligario" das achte Kapitel übersetzt, kann den Inhalt aber nicht erkennen. Die richtige Übersetzung habe ich von meinem Lehrer ausgehändigt bekommen, kann die deutsche Übersetzung aber immernoch nicht erkennen. Könnte mir jemand den Text evtl. zusammenfassen bzw. erklären?
Es liegt kein Verbrechen vor, sondern... (Kapitel 8)
Die erste Verlautbarung und Ankündigung Tuberos bestand, glaube ich, darin, dass er sich mit dem Verbrechen des Ligarius befassen wollte. Ich bin mir sicher, dass du dich gewundert hast: weil ausgerechnet Ligarius belangt wurde, weil jemand auftrat, der sich in derselben Lage befunden hatte, und was für eine neue Art von Verbrechen er wohl anprangern würde. Ein Verbrechen nennst du das, Tubero -
warum? Denn diesen Begriff hat man auf unseren Fall bislang noch nicht angewandt. Einige reden von einem Irrtum, andere von Furcht, wer härter urteilt, sagt Schwärmerei, Voreingenommenheit, Hass, Eigensinn, wer die strengsten Maßstäbe anlegt, nennt es bodenlosen Leichtsinn. Verbrechen: dieser Ausdruck war bislang dir vorbehalten. Und ich meinerseits glaube (wenn man mich nach dem richtigen und wahren Namen unserer Unglücks fragt), dass ein Verhängnis über uns hereingebrochen ist und uns unversehens überrumpelt hat - niemand braucht sich also zu wundern, dass der Wille der Götter stärker war als alles menschliche Planen. [weiter gehts in den Kommentaren]
Danke! Wenn du es dir bis hierhin durchgelesen hast. Tippfehler entschuldige ich, der Text war ziemlich taff. Hat ihn irgendwer verstanden? :)
2 Antworten
Ich zitiere dir mal aus dem Kommentar von Manfred Fuhrmann, der auch die Tusculum-Übersetzungen von Cicero gemacht hat. Er hat in seiner Gesamtausgabe: Ciceros Sämtliche Reden jeder Rede einen ausführlichen Kommentar vorangestellt.
Cicero war Verteidiger eines gewissen Q. Ligarius, der des Hochverrats angeklagt war, teilweise weil er während des Bürgerkriegs auf Seiten des Pompeius stand, aber hauptsächlich wegen seiner Verbindungen zum Numidierkönig Iuba, einem Staatsfeind Roms. Ankläger war dabei Q. Aelius Tubero und die Verhandlung fand auf dem Forum statt, wobei Caesar als Richter fungierte.
Zur Geschichte, damit die Verteidigung klar wird, Ligarius war als Legat des Statthalters C. Longus nach Afrika gekommen. Als dieser nach Rom zurückkehrte, ließ er sich von Ligarius in Afrika vertreten. Bei Ausbruch des Bürgerkriegs wurde L. Aelius Tubero, der Vater des Anklägers, zum Statthalter von Afrika bestimmt. Weil er aber zögerte, erhielt P. Attius Varus, ein Pompejaner, die Gelegenheit, das Oberkommando in Afrika zu erlangen und Ligarius wurde mit der Bewachung der Küste betraut. Als nun Tubero, der legitime Statthalter, eintraf, verwehrten sie ihm die Landung, sodass sich dieser mit seinem Sohn (der ihn begleitete) nach Griechenland ins Exil begab, wo er später von Caesar begnadigt wurde.
49 v. Chr. wurden Caesars Truppen unter seinem General Curio in Afrika vom Numidierkönig Iuba, der auf der Seite der Pompejaner Ligarius und Varus stand, vernichtend geschlagen. Iuba wurde zum Staatsfeind Rom. Als Caesar sich aber selbst dem afrikanischen Schauplatz zuwendete, ergaben sich die Pompejaner, darunter Ligarius, der aber nicht nach Rom zurückkehren durfte.
Mehrere Freunde setzten sich für die Aufhebung seiner Verbannung ein, doch dann reichte der junge Tubero die Anklage ein.
Cicero geht in seiner Verteidigungsrede mit keinem Wort darauf ein, dass Ligurius wegen seiner Nähe zu Iuba angeklagt wurde, sondern nur darauf, dass Tubero dem Angeklagten seinen Aufenthalt in Afrika vorwirft.
Daraus leitet er 3 Hauptmotive ab:
- Cicero kann diesen Vorwurf des Aufenthalts nicht bestreiten und appelliert daher an Caesars Barmherzigkeit (= deprecatio)
- die Parteinahme für Pompeius sei kein Verbrechen, sondern ein Irrtum
- auch der Ankläger und sein Vater hätten sich während des Bürgerkriegs zu Pompeius bekannt
Gegliedert ist die Rede
1a) Einleitung (1)
1b) konventionelle Rechtfertigung (= narratio et argumentatio) (2-5)
2) Plädoyer (6-29) mit den Hauptmotiven 2 + 3:
Cicero versucht erst gar nicht, die Argumente des Anklägers zu widerlegen - im Gegenteil: er befasst sich ausschließlich mit Tubero (Ankläger) - dessen Motiven und Gesinnung, aber in eher ruhigem Ton:
2a) (6-16) befasst sich Cicero mit Tuberos momentanen Verhalten als Ankläger
2b) (17-29) und hier beginnt dein Kapitel 8!!! (17-22= dein Text) dieser Teil des Plädoyers handelt von der Vergangenheit und den Pompejanern im allgemeinen
3) Deprecatio (29-38) dieser Abschnitt um Verzeihung ist an Caesar gerichtet
Gerne
Wir mägen arm dran sein (was freilich bei einem solchen Sieger garnicht möglich ist) doch ich rede garnicht von uns, sondern von denen, die gefallen sind: sie mögen voreingenommen,mögen unbeherrscht, mögen eigensinnig gewesen sein, doch der Vorwurf des Verbrechens, der Raserei, des Mordens bleibe dem toten Pompeius, bleibe vielen anderen erspart.
Wer hat je so etwas von dir vernommen, Caesar, oder hatte deinen Kampf ein anderes Ziel als die Abweisung der Schmach, die dir widerfahren war?
Worum ging es deinen unbesiegbaren Truppen, wenn nicht um die Warhung ihrer Rechtsansprüche und deines Ranges?
Wie- als du nach Frieden riefst, wolltest du dich da mit Verbrechern verständigen oder mit Rechtschaffenen Bürgern? Ich könnte deine großen Verdienste um mich für so bedeutend nicht halten, Caesar, wenn ich annehmen müsste, ich sei als Verbrecher von dir begnadigt worden.
Und wie stünde es mit deinen Verdiensten um den Staat, wenn du bereit gewesen wärst. so viele Verbrecher in Rang und Würden zu belassen? An ein Zerwürfnis hast du zunächst geglaubt, Caesar, nicht an einen Krieg und nicht an Hass wie unter Feinden, sondern an einen Streit wie unter Bürgern: beide Parteien wollten ja für unseren Staat das Beste, verfehlten jedoch - teils wegen ihrer absichten, teils wegen ihrer Vorurteile - das Wohl der Gesamtheit.
Das Ansehen der Führer war nahezu gleich: ungleich war vielleicht das der Gefolgschaften. In der Sache konnte man damals zweifeln, weil sich beide Parteien auf Gründe beriefen, die sich hören ließen; jetzt muss die Sache für besser gelten, die auch die Götter gefördert haben. Ist aber nicht jeder, der deine Milde kennt, bereit, einen Sieg gutzuheißen, für den nur Soldaten haben sterben müssen? Doch lassen wir die allgemeinen Probleme beiseite; betrachten wir unsere Eigenen! Was, glaubst du, wäre wohl eher möglich gewesen, Tubero: dass Ligarius Afrika verließ oder ihr von Afrika fortbliebt?
"Konnten wir anders" wirst du sagen, "wo doch der Senatsbeschluss vorlag" wenn du mich fragst; keneswegs- immerhin hatte derselbe senat ligarius zum Legaten ernannt. Und der hat sich ihm zu einer Zeit gefügt, zu der man sich ihm fügen musste, ihr aber erst dann, als sich Ihm nur noch fügte, wer hierzu bereit war. Ich erteile euch also eine Rüge? Nein, durchaus nicht; ihr wart ja eurem Namen und Geschlecht , eurer Herkunft und Einstellungen nichts anderes schuldig.
Doch das kann ich nicht zulassen, dass ihr die Dinge, die ihr in eurem Falle rühmt, bei anderen für verwerflich haltet. Tubero kam durch das Los an sein Amt, auf Grund des Senatsbeschlusses - obwohl er selbst nicht dabei war, ja eine Krankheit ihn festhielt; er hatte schon beschlsosen abzulehnen. Das weiß ich, wegen all der Beziehungen, die mich mit Tubero verbinden: wir sind in einem Hause erzogen worden, waren im Militärdienst Kameraden, dann durch Heirat miteinander verwandt und unser Leben lang Freunde; besonders nahe bringt uns der Umstand, dass wir seit jeher denselben Gundsätzen huldigen.
Ich weiß, dass Tubero zuhause bleiben wollte; doch einige setzten ihm derart zu, hielten ihm derat den hochheiligen Namen des Vaterlandes vor Augen, dass er sich, auch wenn er anders dachte, dem Gewicht dieser Argumente beugen musste. Er ließ sich durch das Ansehen eines hochberühmten Mannes leiten,oder vielmehr: er fügte sich ihm, er brach gemeinsam mit denen auf, die für dieselbe Sache eintraten. Er ließ sich auf der Reise Zeit; so kam er nach Afrika, als es schon besetzt war.
Vielen dank!