ALG II-Bezieher lebt in einer partnerschaftlichen Fernbeziehung: Wo liegen die Fallstricke?
Ein Hallo an alle auskunftswilligen u. mitteilungsfreudigen User! Stichworte: Besuche beim Partner, mehrtägige Aufenthalte beim Partner , Mitteilung/Meldung beim JobCenter (JC), Post vom JobCenter, Erreichbarkeit für Absprachen mit dem JC, Vorladungen vom JC, Jobsuche, Bewerbungen u. Vorstellungsgespräche am Wohnort des Partners, Postfach einrichten beim Partner vor Ort, Post an den Hauptwohnsitz, Vermeidung von unnötigem Hin- und Her, ... usw.;
3 Antworten
Aus der von VirtualSelf genannten Quelle, PDF-Seite 53:
"Entscheidend ist, dass der Leistungsberechtigte in der Lage sein muss, innerhalb einer zumutbaren Pendelzeit den Träger täglich zu erreichen. (7.60)"
"Ein unschädlicher auswärtiger Aufenthalt kann damit noch vorliegen, wenn der Leistungsberechtigte für die Vorsprache beim Träger insgesamt 2,5 Stunden für den Hin- und Rückweg aufwenden muss. (7.61)"
A) Wenn also die Gefahr besteht, dass man einen Termin verpasst beim Amt oder bei einer Firma oder einer Maßnahme, dann fällt das ALG II weg.
Diese Gefahr besteht laut Verordnung generell, wenn man länger als 1 Stunde 15 Minuten benötigt, um diesen Termin wahrzunehmen.
Also insbesondere aus dem Mittelmeerraum - aber auch in D., wenn es weiter weg ist - oder es da öfters Staus gibt.
B) Dies gilt für das Übernachten auswärts. Denn seinen Briefkasten muss man dennoch werktäglich persönlich leeren:
"Daher muss sichergestellt sein, dass der erwerbsfähige Leistungsberechtigte persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost von der Grundsicherungsstelle erreicht werden kann." PDF-Seite 56.
Eine SMS vom Nachbarn á la "Post vom Jobcenter!" genügt also nicht. Außer, man fährt dann heim und liest seine Post "persönlich"!
C) Ein Nachsende-Antrag ist keine Lösung, Man ist dadurch ja nicht an seiner angegebenen Postadresse werktäglich erreichbar! Ganz im Gegenteil!
Und wenn der Postbote die Post nicht nachsendet, sondern auf Wunsch des Absenders zurück bringt mit der neuen Adresse, fällt das ALG II sowieso flach.
Soweit die Rechtslage. Pragmatischerweise muss man der nicht dogmatisch folgen:
1.) Wenn man etwa statt 1:15 satte 1:30 weit weg übernachtet bei seinem Partner, dann muss man halt kucken, dass man dennoch keinen Termin verpasst - wegen Staus oder verpasster Anschlusszüge. Denn diese Ausreden greifen nur, wenn man normalerweise nur 1:15 benötigte!
2.) Das Selbe gilt für das Leeren seines Briefkastens: Wer keinen Termin verpasst, kann auch damit leben, dass er darauf vertraut, dass die Post vom Amt immer mindestens 10 Tage vorher eintrudelt, wie es meist üblich ist.
Wer aber nur alle 9 Tage in seinen Briefkasten kuckt, hat keine gute Ausrede, wenn ausnahmsweise doch mal ein kurzfristigerer Termin drin steckt: Etwa, weil gerade Messe ist und Kräfte benötigt werden!
Pragmatisch kostet das pro verpassten Termin beim Amt rund 120,- Euro weniger ALG II. Und pro verpatztem Job rund 360,-. Außer, man bringt die Ausrede vor "Ich war bei meinem Partner!" Dann fällt zusätzlich das ALG II für diese Partnertage völlig weg - wenn der zu weit weg wohnt.
Gruß aus Berlin, Gerd
Vermeidung von unnötigen Hin- und Her gibt es hier nicht, da es nicht erwünscht ist, dass man sich entfernt, ohne sich vorher abzumelden und dieses auch noch genehmigt zu bekommen (max 21 Tage im Jahr). Wenn man mehr will muss man sich im klaren darüber sein, dass man wenn man erwischt wird Probleme bekommt. Ich selbst vertrat immer die Meinung, wo kein Kläger, da kein Richter, hatte aber zuhause genügend Backup, sprich jemanden der täglich meinen Briefkasten leerte und mich Notfalls verständigen konnte, damit eine zeitnahe Rückkehr möglich war. Man kann natürlich auch hoch pokern und erstmal nicht zum Termin erscheinen, sofern der mit der normalen Briefpost als normaler Brief zugeschickt wurde. Danach kommt entweder eine zweite Einladung, oder direkt eine Anhörung, je nach Sachbearbeiter. Theoretisch ist diese Vogel-Strauß-Methode solange spielbar, bis entweder mit Postzustellungsurkunde, oder Einschreiben zugestellt wird, sprich weil man nicht da ist eine Benachrichtigungskarte im Briefkasten liegt, oder beim Einwurfeinschreiben das Briefchen. Vorsicht ist auch geboten, wenn das Briefchen gar nicht frankiert ist, sprich durch Zeugen eingeworfen wurde. Hat man jetzt niemanden der den Briefkasten leert und einem Bescheid sagt, oder ist selbst durch Zufall wieder zuhause, geht es in die Hose.
Reagieren könnte man mit dem altbekannten nicht bekannt gewordenem Verwaltungsakt, sprich man hat das Briefchen nie erhalten und das Jobcenter kann sofern es nicht als Einschreiben, oder mit Postzustellungsurkunde verschickt hat den Zugang nicht nachweisen. Zu deutsch alle Uhren auf Null und der Nachlauf geht von Vorne los, nur ab dem Zeitpunkt wird man nur noch Post mit PzU bekommen ;)
Der einzige Fallstrick ist die unerlaube Ortsabwesenheit, also die Abwesenheit des Leistungsempfängers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs des vermittlerisch zuständigen Jobcenters.
Das heißt, im Grundsatz muss vom Zuständigen Jobceter jeder Aufenthalt außerhalb des obigen Bereichs genehmigt werden und mehr als drei Wochen (= 21 Tage) pro Kalenderjahr wird es nicht geben.
Einfach mal hier die entsprechende Passage lesen ab Rz 7.56:
In den Fachlichen Hinweisen findest du etwas dazu:
Der zeit- und ortsnahe Bereich ist in § 2 Satz 2 EAO definiert. Dazu gehören alle Orte in der Umgebung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende, von denen aus der erwerbsfähige Leistungsberechtigte erforderlichenfalls in der Lage wäre, den Leistungsträger täglich und ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen.
Die postalische Erreichbarkeit ist irrelevant, wenn du deinen zuständigen Leistungsträger nicht ohne unzumutbaren Aufwand erreichen kannst.
Das einzige, was du mit Nachsendeauftrag umgehen kannst, ist ein genereller Leistungsausschluss, nicht jedoch eine Sanktion.
Nachgefragt: Leistungsbezieherin Frau Ypsilon teilt dem JobCenter die Post-Anschrift ihrer Fernbeziehung zu Herrn Müller (Postempfang) mit. Eventuelle Post/Schreiben vom JC geht/gehen dann zeitgleich an den Hauptwohnsitz der Leistungsempfängerin und die gemeldete Postanschrift des Fernpartners Herrn Müller. Ist diese Art der Sicherstellung von zeitnahem Postempfang durch die Leistungsempfängerin legitim und praktikabel?