Kann man Siezen verbieten?
Hallo,
in Juraforum wird über die Möglichkeit gesprochen, das Duzen zu verbieten; Kann man rechtlich vorgehen, wenn jemand einen duzt, man es aber nicht möchte? Die grobe Antwort lautet: Ja, wenn es der andere als Beleidigung oder Verletzung oder Ähnliches empfindet.
Die Frage, die ich habe, stellt sich in Bezug auf das Siezen: Kann man sich das Siezen verbieten, wenn man sich dadurch verletzt fühlt?
Sprich: Gilt für das Duzen die gleiche Regel wie für das Siezen?
8 Antworten
Bei einer Beleidigung muss eine Ehrverletzung vorliegen, somit lässt sich siezen nicht verbieten. Im übrigen muss der Täter die Ehre voerletzen, da wird due Tat bewertet, und nicht das subjektive empfinden des vermeintlichen Opfers.
Weil man in dem duzen eher eine Ehrverletzung sehen kann.
Ok. Aber wodurch kommt denn die unterschiedliche Sichtweise? Ich sehe da keine.
Die Gesellschaft schon
Ist nicht 'sehen' ein Attribut eines Individuums. Sehen, Verstehen, Werten. Das kann doch nur ein Individuum mit entsprechenden Organen und kognitiven Fähigkeiten. Eine Gesellschaft kann das doch nicht oder? Und wenn ja, wie?
Doch, nennt sich ,,herrschende Meinung''
Stimmt. Aber das ist höchstens so wertvoll wie 'die Sonne geht unter'. Kann behaupten, Märchen von Erzählen, Gedankenbilder ausschmücken etc. Wenn es dann aber präziser werden soll, muss man dieses Konstrukt, diese Metapher auflösen und dabei hinweisen, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Einmal klargestellt, können wir weiter argumentieren.
'Herrschende Meinung' ist demnach nichts an und für sich Existierendes, hat keinen materiellen Seinsstatus - platonische Ideen und ähnliche Theorien ausgeschlossen. 'Herrschende Meinung' ist reduzierbar und nur vorzufinden im jeweiligen Meinungsträger, in Einzelpersonen. Nur also weil einige Personen solch eine Meinung haben, die dann verpflichtend (=herrschend) wird, und aufgrund derer diejenigen, die anders handeln, bestraft werden (durch Einzelpersonen), dann bedeutet es ja nicht, dass die 'Gesellschaft' (in diesem Beispiel aus 5 Personen besteht) es so sieht. Möchte ich da also nach der 'Sichtweise' der Gesellschaft fragen, muss ich alle Gesellschaftsbestandteile, also die Einzelpersonen fragen.
Ehrverletzung kannst du nunmal nur so definieren, denn Ehre ist kein Sachgegenstand
Man kann alles und jedes empfinden.
Auf dem persönlichen Empfinden basieren aber nicht die Gesetze.
So argumentiert, dürfte das Duzen nie als Beleidigung aufgefasst werden und keine strafrechtlichen Folgen haben dürfen oder?
Deine Frage ist so durcheinander, dass sie kaum beantwortbar ist. Wer ist "man", der was verbieten will? Und wem? In welchem Zusammenhang warum?
Du meinst, meine Frage ist zu wenig bestimmt, zu wenig kontextualisiert?
Wenn du es so meinst, dann bin ich ganz bei dir. Findest du es aber nicht merkwürdig, dass hier schon ganz viele Antworten gekommen sind, in denen diese nähere Situationsbestimmung offensichtlich keine Rolle spielt.
Aber hier ein Beispiel: Ich begegne einem Polizisten, der mich anhält, weil er eine allgemeine Fahrradkontrolle durchführt (kennt man ja in Großstädten). Nun siezt er mich, ich duze ihn, es gefällt ihm nicht, mir gefällt sein Siezen nicht, er duldet es nicht, ich sein Siezen aber schon, er macht 'n Fass auf, ich bleibe weiterhin respektvoll und freundlich. Fazit: Er zeigt mich an. Grund: Er fühlt sich beleidigt/in seiner Würde verletzt, weil ich ihn geduzt habe.
Ist mir bis dato nicht passiert - aber mal angenommen...
Da hast du es doch selbst drin: er zeigt dich an, weil du ihn duzt. Es ist durchaus ein zulässiger Anzeigegrund.
Stimmt, aber die Tatsache, dass er mich anzeigt, muss ja nicht tragfähig sein. Wenn ich jemanden durch das Duzen in seiner Würde (schlimmes Wort m. E.) verletze, dann ist das was anderes, als wenn er sich durch die Tatsache des Duzens selbst verletzt führt. Ist der Unterschied klar, den ich da aufmache?
Nee.Er zeigt dich wegen des Duzens an. Du kannst ihn auch anzeigen.
Tatsachenwertung wär dieselbe. Nur die Beweisfrage wird man dir vorhalten.
Oh, das habe ich jetzt nicht verstanden. Was ist denn 'Tatsachenwertung'? Was heißt 'Beweisfrage vorhalten'? Ich kenne mich im juristischen Jargon leider gar nicht aus.
Tatsachen sind das, was tatsächlich geschehen sein soll.
Die Beweisfrage, ob das behauptete Geschehen auch bewiesen wird. Ist doch klar.
Wenn der Polizeibeamte dich trotz Aufforderung geduzt hat, könnte das Beleidigung sein.
Aber er könnte das leugnen. Und du wirst es nciht beweisen. Denn er ist nicht allein und sein Kollege bezeugt die Aussage des Kollegen. Oder kann sich zufällig an nichts erinnern:
Danke. Da haben wir uns Missverstanden. Was Tatsache ist, ist klar, dachte, es gäbe eine besondere Bedeutung von 'Tatsachenwertung'. Aber jetzt habe ich verstanden, was du meinst. Gracias.
Aber ich glaube, ich habe mich oben missverständlich ausgedrückt:
Ich meinte, es ist eine Sache, ob ich im Rahmen eines Streitgesprächs durch das Du noch weiter in die Kerbe haue, während Objekt des Streitgesprächs ein anderes ist (z. B. die Art und Weise, wie er mich zum anhalten brachte).
Eine andere Sache ist es, ob das Du selbst das Objekt des Streits ist.
Letztendlich würde er mich nicht deswegen anzeigen, weil ich das Duzen dazu missbrauche (also willentlich) ihn zu beleidigen. Vielmehr deswegen, weil ich ihn entgegen seines Willens geduzt habe.
Magst du mir hier sagen, wie Tatsache und Beweis zur Klärung beitragen?
Nein, sonst würde sich das Gesetz logischerweise widersprechen.
Verstehe den Widerspruch nicht. Entweder das Wort (Siezen und Duzen) löst per se was aus und ist empfängerunabhängig oder zwischen Siezen und Duzen gibt es keinen Unterschied, weil der Empfänger den Verletzungsgrad bestimmt.
Meine seinerzeit an Demenz erkrankte Mutter wurde mit vollkommener Selbstverständlichkeit während eines Aufenthaltes in einer Demenzstation vom Personal geduzt und mit Vornamen angesprochen.
Wäre sie bei klarem Verstand gewesen hätte sie dagegen protestiert dass man es bis nach Rom gehört hätte. Ihr Lebtag hätte sie das nicht gewollt, sie hatte zuvor selbst angehende Schwiegerkinder sehr lange gesiezt.
Eine vernünftige Erklärung gab man mir auf Nachfrage nicht.
Ich halte das Standard-Du für unangebracht, es fiele damit eine individuelle Unterscheidungsmöglichkeit fort, die unsere Sprache bietet.
Hinter dem Wunsch nach dem Gesiezt-Werden steckt doch ein Bedürfnis, nicht wahr? Könnte man das Bedürfnis befriedigen und indessen auf das Sie verzichten?
Ich z. B. duze alle Menschen, ob in der U-Bahn, der öffentlicher Apparat oder Universität, ob jung oder alt. Mir vermittelt das Duzen ein Gefühl der menschlichen Nähe, der Menschlichkeit. Anders herum: Wenn ich gesiezt werde, finde ich es jedes mal seltsam. Andererseits begegnen mir die Menschen ganz anders, wenn wir uns duzen - kein Altersunterschied, kein Positionsunterschied, keine Ehre, kein Respekt. Viel mehr ein gutes Gefühl miteinander. Vor dem Hintergrund dieses Gefühlt sind die ganzen Debatten um Ehre und Respekt und Würde überflüssig.
Du hast es schon auf den Punkt gebracht mit der Formulierung "...vermittelt das Duzen ein Gefühl der menschlichen Nähe..."
Was hilft mir das Gefühl, wenn dieses vermittelte Nähe-Gefühl gar nicht existiert? Es gibt Menschen deren Nähe ich garnicht wünsche, und diese respektlosen Duzer halte ich mir auf Anhieb mit einem "Sie" auf Abstand.
Verstehe. Aber da sind wir uns doch einig oder? Wenn ich jemandes Nähe wünsche, dann ist mir das Du oder Sie egal, nicht? Zumindest stört mich das Du dann nicht. Wenn ich mir aber die Nähe des anderen nicht wünsche, dann spielt das Du und Sie ebenfalls keine Rolle, da ich mit diesen Menschen nichts zu tun habe - da entfällt auch die Frage nach dem Sie oder Du.
Nein. Ich habe ja mit diesen dutzenden Menschen zu tun, ich komme.B. in ein Geschäft und der etwa 20 Jahre alte Verkäufer schlendert lässig heran und fragt "Wie kann ich Dir helfen?" Meine Antwort "Erstmal indem Sie mich nicht Duzen". Große Augen, dann als Erklärung hinterher geschoben "Wir duzen uns hier alle." "Tja, dann machen Sie mal schön ohne mich weiter." sprach ich, drehte um und verschwand. Ich möchte ernst genommen werden.
Ich halte das einfach für eine Unart jemanden Unbekanntes zu duzen.
Ok, d. h. du meinst, du bis gezwungener Weise oft im Kontext, in dem es Menschen gibt, die du nicht kennst? Und weil es so ist, wünschst du dir die Distanz vermittels des 'Sie' zu wahren?
Ich finde es sehr interessant - gerade im Gespräch jetzt mit dir. Ich bin selbst knapp über 50 und mir macht das Duzen nichts aus bzw. ich finde es sehr sympathisch. Ich komme aus dem Bereich der Mediation und forsche auch hobbymäßig im Bereich der Kommunikationstheorie. In diesem Zusammenhang frage ich mich natürlich auch, welches meine Bedürfnisse beim Duzen und Geduzt-Werden erfüllt werden und welche bei den Menschen, die lieber siezen und gesiezt werden. Du hast es oben aber schon angesprochen: Ich möchte ernst genommen werden.
Wenn ich da an mich denke, fühle ich mich in solchen Augenblicken nicht weniger durch das Du ernstgenommen als durch das Sie. Das Gefühl des Ernstgenommen-Werdens kommt bei mir - jetzt in einer Verkaufssituation wie deiner - durch Zuwendung im Verkauf; Will die Person mir helfen?, Will sie mein Anliegen verstehen?
Klingt sehr interessant; ich bin beruflich auf das Sie angewiesen als Kripo-Beamter. Der/die/das Bürger ist bisweilen schon so respektlos genug, da wäre das Du nur Brandbeschleuniger. Dabei ist zu beobachten, dass viele Bürger sich respektiert fühlen wenn man sie sietzt und das macht mir, gemeinsam.mit grundsätzlich freundlichem Ton, viele Sache einfacher. Da bedanken sich manche schonmal beim Verlassen der Dienststelle, obwohl man ihnen (als Beschuldigte) Fingerabdrücke genommen hat etc.
Meinst du, eine Person/ein Bürger kann an sich 'respektlos' sein? Entsteht nicht 'Respektlosigkeit' erst im kommunikativen Miteinander, also erst da, wo sich zwei Menschen begegnen, wo es also auch einen Empfänger gibt?
Während der Verkäufer bei dir ein Gefühl der Respektlosigkeit auslöst, tut er es bei mir nicht. Liegt dann nicht die Tatsache des Respekts/der Respektlosigkeit beim Empfänger?
Ein extremeres Beispiel. Person A nennt Person B ein 'A....loch'. Person B hätte jetzt die Möglichkeit zumindest zweifach zu reagieren. Zum einen könnte in ihr das Gefühl des Verletzt-Seins entstehen (was dann Traurigkeit oder Wut oder Angst zur Folge haben könnte). Zum anderen könnte aber auch Neugier oder Mitleid geweckt werden: Neugier, weil es spannend ist, sich zu Fragen, was in meinem Mitmenschen vorgeht welche Motivationen er dafür hat, was er/sie/es nicht erfüllt bekommt; Mitleid, weil man durch die Neugier ein Gespräch begonnen hat, das Aufschluss über das 'A....loch' gibt, insofern man jetzt versteht, was in seinem Leben gerade vorgeht. Im ersten Fall könnte das Gefühl aufkommen, nicht genügend mit Respekt gewürdigt worden zu sein. Der zweite Fall geht an der Respekt-Frage völlig vorbei, Respekt spielt für B keine Rolle.
Duzen ohne Erlaubnis ist eine Respektlosigkeit bzw. Beleidigung. Bleidigungen sind grundsätzlich strafbar und können daher auch "verboten" werden.
Aber es gibt kein Gesetz das Respektvollen Umgang verbietet.
"Das sehe ich gänzlich anders. Ich duze nämlich alle Menschen ohne Erlaubnis und fühle mich eher weniger respektiert durch das Siezen als durch das Duzen. Siezen hat eine problematische Geschichte und transportiert neben Distanz auch andere nachteilige Informationen." So könnte man argumentieren.
Wenn das für das Siezen gilt, warum gilt dann nicht die gleiche Argumentation für das Duzen?