Zigarettenrauch unserer neuen Nachbarn verpestet unsere Wohnung. Unsere kleine Tochter (11 Monate) hat Asthma und leidet darunter sehr. Was kann ich tun?
Unsere neuen Nachbarn wohnen direkt unter unserer Wohnung und sie rauchen ausschließlich auf dem Balkon. Der Rauch zieht leider direkt in unsere Wohnung. Nicht nur, dass es in unserer Wohung immer wieder bzw. jeden Tag nach kaltem Rauch riecht, leidet unsere kleine asthmakranke Tochter unter diesem Rauch. Ich habe die Nachbarn bereits 2 mal darauf angesprochen. Sie sagten mir, dass sie keinesfalls in ihrer Wohnung rauchen wollen, da sie ihre eigene Wohnung nicht mit Zigarettenrauch verpesten wollen. Zusätzlich fühlen sie sich laut eigener Aussage nicht für den gesundheitlichen Zustand unserer Tochter verantwortlich. Sie gaben uns lediglich den Rat, dass wir unsere Fenster immer geschlossen halten sollten und nur 2 - 3 mal am Tag für ein paar Minuten "stoßlüften" sollten. Unseren Balkon sollten wir einfach auch nicht mehr benutzen, wenn uns der Zigarettenrauch so stört.
Ich empfinde es als außerordentlich ignorant, dass diese Nachbarn ihre eigene Wohnung nicht mit Rauch verpesten möchten, aber es ihnen völlig egal ist, dass unsere Wohnung mit Rauch belastet wird. Das man auch die gesundheitliche Schädigung eines kranken Kindes ignoriert, empfinde ich als asozial. Weiterhin ist ein Witz, dass man gerade im Frühling/Sommer die Fenster permanent verschlossen halten sollte und nur ein paar mal am Tag stoßlüftet.
Die Fenster der Wohnung befindet sich alle nur an einer Wohnungseite, d.h. es ist nicht möglich von einer anderen Seite zu lüften. Ein Auszug aus der Wohnung ist keine Alternative, da wir bei einem Umzug in eine gleich ausgestattete Wohnnung, vermutlich mehr als 50 % der jetzigen Miete zahlen müßten.
Hat hier jemanden einen Tipp, welche belastbaren rechtlichen Schritte man hier einleiten kann?
Im voraus vielen Dank. K.
13 Antworten
Hi khfmuc,
es ist spät, daher nur die Kurzversion:
Es können durchaus besitzschutzrechtliche Unterlassungsansprüche gem. §§ 862 I 2, 858 BGB bestehen. Gem. § 906 I 1 BGB analog ist das jedoch nicht möglich, wenn der Grad der Beeinträchtigung für einen objektiven Dritten unwesentlich ist.
Der BGH hat außerdem in dem berühtem Balkonraucher-Fall festgelegt, dass das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme im Allgemeinen zu einer Gebrauchsregelung führt. "Für die Zeiten, in denen beide Mieter an einer Nutzung ihrer Balkone interessiert sind, sind dem einen Mieter Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf."
Der BGH sprach auch einen Anspruch gem. §§ 823 I, 1004 I 2 BGB analog an. Gesundheitsschädliche Immissionen durch Tabakrauch sind demnach wesentliche Beeinträchtigungen, die nicht geduldet werden müssen. Da hier jedoch im Freien geraucht wird, wird dem Körper ein wesentlich geringerer Gehalt an krebserregenden Stoffen zugeführt.
Deswegen muss "Der Mieter, der unter Berufung auf die Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens von einem anderen Mieter verlangt, das Rauchen auf dem Balkon zuunterlassen, das sich aus den Nichtraucherschutzgesetzen ergebende Indiz erschüttern, dass mit dem Rauchen im Freien keine solchen Gefahren einhergehen."
Näher dazu: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=71044&pos=0&anz=1
Viele Grüße, JS
Hi Khfmuc,
vielen Dank für das nette Kompliment!
Aus gegebenem Anlass möchte ich außerdem ergänzen, dass eine (ggf. auch fehlende) mietvertragliche Regelung nicht relevant für das bestehen besitzschutzrechtlicher Ansprüche possessorischer Natur ist, wie es etwas die §§ 861, 862 BGB sind.
Der Bundesgerichtshof hat das Problem in dem genannten Urteil auch angesprochen. Ich wollte das gestern Abend nicht zusätzlich zur Verwirrung in die Runde werfen, möchte aber gerne ergänzen wie folgt:
Kurz: Auch der gestörte Mieter muss Rücksicht auf das Recht des anderen Mieters nehmen, seine Wohnung vertragsgemäß benutzen zu dürfen. Dazu gehört auch das Rauchen in der eigenen Wohnung oder dem Balkon. Unterlassungsansprüche bestehen daher nicht immer und uneingeschränkt und können seine Grenzen in den Grundrechten des störenden Mieters finden (Art. 14 I, 2 I GG), welche durch die Norm des § 242 I BGB Berücksichtigung im Zivilrecht finden.
Länger gesagt:
Der Rauch auch nur einer einzigen Zigarette ist bereits eine wesentliche Beeinträchtigung i.S.v. § 906 I BGB (Rn. 15).
Ein Unterlassungsanspruch gem. § 862 I 2 BGB besteht jedoch nicht immer und uneingeschränkt, nur weil eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Grund dafür ist, dass auch der gestörte Mieter auf das Recht des störenden Mieters Rücksicht zu nehmen hat, seine Wohnung vertragsgemäß benutzen zu können. Hierzu zählt auch das Rauchen in der Wohnung und auf dem Balkon [daher im Ergebnis die Gebrauchsregelung]. Bei Störung kollidieren die durch die Mietverträge begründeten Besitzrechte. Diese Rechtsposition sind von Art. 14 I GG grundrechtlich geschützt. Diese Grundrechte müssen, inklusive des ebenfalls betroffenen Grundrechts des Rauchers aus Art. 2 I GG im wege praktischer Konkordanz einem angemessenen Ausgleich zugeführt werden. (Rn. 16)
Sofern es an einer für beide Teile vertraglichen Regelung in einer Hausordnung fehlt, bestimmt sich die Grenze des zulässigen Gebrauchs und hinzunehmender Beeinträchtigungen aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtsnahme. Daher kann auch die Ausübung des Unterlassungsanspruchs seitens des gestörten Mieters kann bei fehlender Rücksichtsnahme des gestörten Mieters unzulässig gem. § 242 I BGB sein. (Rn. 17)
Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtsnahme führte in dem Fall zu einer Gebrauchsregelung. (Rn. 18)
Am Besten das Urteil einfach selbst mal langsam und sorgfältig lesen, ich weiß, dass die Materie für Laien äußerst schwierig ist. Wenn noch Fragen bestehen, kannst du die jederzeit hier stellen. Ich werde wahrscheinlich auch bald wieder etwas mehr Zeit haben.
Viele Grüße, JS
Da hat dein Nachbar nun das Recht auf seiner Seite: Rauchen gehört zum bestimmungsgemäßem Gebrauch der Mietsache und dazu zählt eben auch sein Balkon.
Dagegen gibt es keine belastbaren rechtlichen Schritte zumal dann, wenn ihr nach ihm eingezogen wärt und keine Zusicherung eines rauchfreien Hauses mietvertraglich vereinbart wäre :-(
G imager761
Hier steht das Recht des "bestimmungsmäßigen Gebrauchs der Mietsache" dem Recht auf "körperliche Unversehrtheit" entgegen.
Nur scheinbar. Auch die Teilnahme als Fußgänger oder Radfhrer im innerstädtischen Großstadtverkehr setzt dein Kind einer Gesundheitsgefährdúng aus ohne das errnsthafte Aussicht auf Erfolg bestünde, den Individualverkehr von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren einzuschränken oder gar zu zu untersagen.
Jurasuppe hat es doch sehr gut diffenziert beschrieben: Im Ergebnis wird es auf eine Gebrauchsregelung hinauslaufen etwa derart, dass zu bestimmten Zeiten das Rauchen kurzzeitig unterlassen wird, um währenddessen kräftig mit tabakrauchfreier Luft durchzulüften zu können und zu den übrigen deine Fenster geschlossen zu halten sind, um eine nicht von der Hand zu weisende Gesundheitsbeeinträchtung zu vermeiden.
Das verstehe ich unter "erwartbarer Rücksichtnahme" innerhalb der Mietergemeinschaft, nicht dein Verständnis eines (Rechts-)Anspruchs auf jederzeit tabakrauchfreie Umgebung.
G imager761
Vielleicht bist Du Mitglied im Mieterbund, da könne man evtl. etwas erreichen.
Also ich sage mal, dass diese Nachbarn natürlich nicht für das entstandene Asthma verantwortlich sind. Das diese wiederum keine Rücksicht nehmen auf kranke Kinder, finde ich auch nicht okey. Wenn der Vermieter das Rauchen auf dem Balkon erlaubt, dann hat man vermutlich wenig Chancen, dagegen etwas zu machen.
Ich glaube mal, dass eher der Vermieter
Und die Raucher sind auch im Mieterbund - was dann?
Das ist nichts weiter als Nachbarschaftszank, da macht kein Mieterbund was.
das ist Belästigung von Nachbarn. Im Jahr 2019 - auch vor 2 Jahren - undenkbar, dass gesundheits- und umweltschädigendes Verhalten derart toleriert wird!
Dem Vermieter schreiben und eine Mietminderung ab Mai 2017 androhen. Gib ihn eine Frist bis 30.04. Brief spätestens am 15.04. abschicken, damit er in etwa 14 Tage Zeit hat. Er hat ja auch noch andere Sorgen. Nicht böse gemeint, aber die Frist muss angemessen sein.
Innerhalb dieser Frist hat er sich mit den rauchenden Mietern auseinander zu setzen, dass es so nicht geht. Da die ja eh mehr an der Luft als in der Wohnung ( wer weiß wie dreckig die ist? ) sind, sollen die gerade bei milden Wetter sich raus setzen/stellen/knien/legen, um zu rauchen. Aber auch weit genug vom Haus weg. Sonst macht es ja keinen Sinn.
Mache deinem Vermieter deutlichst klar, dass deine Tochter unter Asthma leidet und dieses sich durch den hochsteigenden Zigarettenrauch verschlimmert. Die Lebens- und Wohnqualität deiner Tochter und euch also erheblich darunter leidet.
Sollte der Zigarettenqualm ab 30.04. nicht erheblich weniger werden, so minderst du die Miete um 20 % . Ich finde das absolut angemessen, auch wenn es für einige hier zu hoch erscheint. Dann sollen die Kritiker mal logisch denken und sich punktgenau in die Lage der Mutter und Tochter hinein versetzen.
Nach meiner Rechtsauffassung machen sich die rauchenden Mieter jedesmal einer fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB strafbar ( aufgrund der wissenden Asthmaerkrankung des Kindes ) .
Geht der Mieter von einer berechtigten Mietminderung aus und stellt sich später heraus, dass sie unberechtigt oder in der Höhe nicht angemessen war, so ist das kein pauschaler Kündigungsgrund seitens des Vermieters.
Vielleicht sollte man auch noch zivilrechtlich gegen die rauchenden Mieter vorgehen. Denn die juckt deine Mietminderung am allerwenigsten. Also in Form einer Einstweiligen Anordnung vor Gericht. Hierzu brauchst du regelmäßig keine schriftlichen Nachweise.
Du musst nur beim Gericht persönlich oder per Brief glaubhaft darlegen, warum und wie die Raucher ihre Aktivitäten einschränken oder woanders hin verlegen sollen. Wichtig ist bei solchen Anordnungen nicht nur die Sache an sich zu begründen, sondern auch die Dringlichkeit ( Eilbedürftigkeit ) darzulegen.
Hier käme dann vor allem das Asthma deiner Tochter ins Spiel. Man muss dem Gericht klar machen, warum man die Einstweilige Anordnung begehrt, warum das jetzt so schnell gehen muss und man nicht auf eine normale Klage zuwarten kann. An der Begründung für die Eilbedürftigkeit scheitern solche Anordnungen regelmäßig.
So ein Antrag kostet aber ca. 35 € bis 55 € und wird meist im voraus fällig. Auch bei Ablehnung. :/ Ein Anwalt ist jedoch keine Pflicht. Es geht auch alles per Post. Eine besondere Form des Antrags ist nicht erforderlich.
Einfach:
Name, Adresse
Antrag auf Einstweilige Anordnung
Sehr geehrte Justiz,
ich begehre den Erlass einer Einstweiligen Anordnung.
Anordnungsanspruch:
Meine Nachbarn unter mir sind Kettenraucher.... bla bla bla
Anordnungsgrund: Aufgrund der Asthmaerkrankung meiner Tochter..... bla bla bla
Ort, Datum, Unterschrift
Und dann an dein Amtsgericht schicken.
Anordnungsanspruch: Hier listet du grob oder ausführlich ( sollte aber kein Roman sein ) auf, um was es geht und was dich stört.
Anordnungsgrund: Hier begründest du glaubhaft die Dringlichkeit deines Anliegens.
Der Erlass einer Einstweiligen Anordnung dauert 1 bis 6 Wochen. Wenn sie erlassen wird.
Da kannst du gern rechtliche Schritte einleiten - solche Fälle gab es bereits:
Ich empfehle dir mit deinem Vermieter zu sprechen. Hier einmal ein Fallbeispiel aus der Vergangenheit:
http://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/1421960/Mietrecht_Klagen-gegen-rauchenden-Nachbarn
Einzelurteile sind jeweils nur für einen ganz speziellen Fall und haben keinerlei allgemeine Bedeutung, sie sind nicht rechtsbildend. Wir sind hier nicht in USA.
Mag ja sein allerdings sind in vorliegendem Fall die Umstände auch nicht besser. Die Erkrankung der Tochter steht hier im Vordergrund. - Mit ärztlichem Gutachten räume ich einer Beschwerde oder gar einer Klage gute Chancen ein.
Ich nicht. Ein Rauchverbot auf dem Balkon gegen Nachbarn durchsetzen? Das kannst du aber sowas von vergessen.
Ich nicht. Ein Rauchverbot auf dem Balkon gegen Nachbarn durchsetzen? Das kannst du aber sowas von vergessen.
Nein, kann man nicht! Ich schließe mich dem Kaffeemann an.
Ich sehe es nicht so einfach. Hier steht das Recht des "bestimmungsmäßigen Gebrauchs der Mietsache" dem Recht auf "körperliche Unversehrtheit" entgegen. Passivrauchen ist nachgewiesenermaßen gesundheitschädlich.
Wenn es sogar schon massive Einschränkungen beim Grillen auf dem Balkon gibt, dann kann man das sehr wohl auf das Rauchen anwenden. Außerdem sollte man doch denken, dass jeder der in einer zivilisierten Gesellschaft lebt, das Wort "Rücksichtnahme" kennen und leben sollte....