Wie werden sogenannte "Assessment Center" bewertet, nach welchen Kriterien wird eingestellt?
Hallo liebe Community, Nach einem eher ernüchternden Dienstag dieser Woche mache ich mich sehr verrückt.
Es handelt sich um ein Assessment Center bei der Deutschen Rentenversicherung. Dieses bestand aus insgesamt 4 Teilen: Vorhergehender Online-Test und vor Ort Gruppenaufgabe, Vorstellungsgespräch und Postkorbaufgabe mit anschließender Vorstellung der Ergebnisse.
Der online Test ist von der Auswertung her echt überraschend gewesen. Ich soll somit in ALLEN 8 Teilaufgaben "wesentlich besser" gewesen sein als Mitbewerber. Übersetzt man diese Auswertung nun ins Notensystem, so kommt man auf ein "sehr gut", oder in anderen Worten eine 1+.
Die Gruppenaufgabe war auch gut. Ich war nicht egoistisch, habe die Leute ausreden lassen und bin stets konstruktiv geblieben. Dennoch habe ich schnell gemerkt, dass die anderen Teilnehmer in der Gruppe eher zurückhaltend sind und habe schnell eine führende Rolle entwickelt, die mit fachkundigem Wissen zum Unternehmen gut untermalt war.
Die Postkorbaufgabe war ebenfalls kein Problem, ich habe bei meiner Präsentation keinen Raum für Fragen offengelassen. Ich habe alles sachlich und detailliert dargelegt und habe mich nicht verunsichern lassen. Nach 10 Minuten war das eigentliche Gespräch vorbei und mein Gegenüber hat nett und offen mit mir über Unternehmensstrukturen und Abläufe gesprochen und sagte immer etwas wie "falls Sie hier anfangen sollten, dann...". Kurzes Feedback nach dem Gespräch: "Gut. Wirklich gut."
Die einzige (mittelschwere) Katastrophe war dann das Vorstellungsgespräch selbst, also das in dem ich mich selbst vorstellen sollte. Ich hatte einige Patzer, Stotterer, habe mir anmerken lassen ich war nervös und ich habe Stuss geredet - kurz: ich hatte anscheinend andere Ansichten wie der Job laufen wird, als es in Realität ist. Blöd...
Nun meine Frage: Wie wird solch ein Assessment Center bewertet? Klar kann man das nie so genau sagen, da jedes Unternehmen es unterschiedlich handhabt, aber man kann doch sicherlich etwas Allgemeines sagen? Werden die einzelnen Teile zusammengerechnet, welche Gewichtung haben die Teile untereinander, wird der online Test überhaupt mit in die Bewertung genommen?
Was denkt ihr? Was könnt ihr dazu sagen?
Vielen Dank und liebe Grüße :-)
2 Antworten
Hallo HaruMaru,
leider schreibst du nicht, auf was für eine Position du dich bei der DR beworben hast, also eine kaufmännische Ausbildung, oder eine akademische Laufbahn nach abgeschlossenem Studium.
Im Allgemeinen sieht es so aus, dass alle Teile der Einstellungstest über Hopp oder Top entscheiden werden.
Die Gewichtung liegt in etwa so:
Onlinetest: 10%
Gruppenaufgabe 40%
Postkorb 10%
Vorstellungsgespräch 40%
Was mir bei deiner eigenen Leistungsbeschreibung aufgefallen ist:
Du stellst dich als ausserordendlich kompeten dar, obwohl du von den eigentlichen Abläufen in der Behörde noch keine richtige Vorstellung hast:
" Die Gruppenaufgabe war auch gut. Ich war nicht egoistisch (das hofffe ich doch inständig), habe die Leute ausreden lassen (das war zumindest noch höflich) und bin stets konstruktiv geblieben. Dennoch habe ich schnell gemerkt, dass die anderen Teilnehmer in der Gruppe eher zurückhaltend sind und habe schnell eine führende Rolle entwickelt, die mit fachkundigem Wissen zum Unternehmen gut untermalt war." (Schön, wenn du immer kontruktiv geblieben bist. Noch schöner, wenn du die anderen UNTERSTÜZT hättest, anstatt sie an die Wand zu spielen)
Die Formulierung "FALLS Sie hier anfangen sollten...." deutet übrigens nicht auf eine begeisterte Zustimmung für deine Kompetenzen hin, sondern eher auf berechtigte Zweifel deines Gegenübers an deine Person.
Sich durch nichts in einem Gespräch verunsichern zu lassen, ist nicht unbedingt ein Vorteil. Man wollte dich ja in einem gewissen Rahmen verunsichern und dann sehen, wie du in dieser Stresssituation reagierst. Das konnte man hier nun nicht testen. In Vielen Fällen wird eine demonstrativ gezeigte "Kompetenz", eher als Unnachgiebigkeit und mit fehlenden Soft Skills übersetzt. Wer mag schon einen von sich völlig überzeugten Überflieger im Team haben?
Im Vorstellungsgespräch hat sich dann die Streu vom Weizen getrennt. Man kannte inzwischen deine Stärken, aber auch deine nicht gezeigten Schwächen. Und genau da haben sie dich erwischt. Absolute Perfektion hat während der Tests niemand erwartet. Problemanalytiker, Zuhörer, Troubelshooter auch bei anderen Kollegen: Das sind die Soft Skills, die man hier suchte.
Patzer, Stotter, Stuss...Alles kein Drama. Alle Mitbewerber waren nervös. Sich plötzlich nicht mehr so selbstsicher präsentieren zu können, wie in den Runden zuvor, das könnte jetzt eher zum Problem werden, als wenn du in allen anderen Bereichen knapp besser als der Durchschnitt gewesen wärest.
Es bleibt abzuwarten, wie die Bewertung des Kommitees und des Betriebspsychologen ausfallen wird.
Ich wünsche dir in jedem Fall alles Gute und viel Erfolg, egal wo deine Karriere dich noch hinführen wird.
Gruss
di Colonna
Hallo HaruMaru,
du hast dich sicher kompetent und lösungsorientiert gezeigt. Beeindruckend, wie du den Roten Faden und die Art und Weise, wie du die anderen Mitbewerber angehalten hast, nutzen konntest, um deine Ergebnisansätze überzeugend präsentieren zu können.
Merkst du etwas?
1. Du bist an diesem Tag auf mehr Psychologen getroffen, wie du
je in deinem Leben wieder an einem Ort treffen wirst ;-)
2. Es wurde kein Alpha-Wolf gesucht, kein Global-Player, sondern
jemand, der Teamfähigkeit auch damit beweist, dass er die
Lösungsansätze anderer nicht nur entkräftet, sondern als
mögliche Option in Betracht zieht und unterstützt.
3. Dass man euch bei der Begrüssung sagte, ihr solltet
möglichst konsequent eure Präsentation durchziehen....Ja, ich
finde diese Anweisung auch toll und benutze sie bei jedem
Gruppeneinstellungstermin von unseren Praktikanten. Anders
kann man doch die kleinen Stärken und Schwächen nicht sicht-
bar machen. *Psychotrick*
4. Die Formulierung " Falls..ob,...wenn Sie ..."
Naja....Positv formuliert: "Wenn Sie sich für uns als Ihren Arbeit-
geber / neuen Wirkungskreis... entscheiden sollten..."
Dann kann man den Sekt kaltstellen ;-))
Lass dich nicht verunsichern. Überhaupt bei einem solchen Event der Deutschen Rente dabei zu sein ist schon toll. Viele kommen erst gar nicht so weit und es ist unbezahlbar, was du hierbei für die Zukunft gelernt hast.
Alles Gute
Hallo DiColonna,
Ich danke auch jetzt für Deine sehr ausführliche Antwort.
Ich kann deinen Aussagen in dem letzten Kommentar aber echt nicht entnehmen, ob du es sarkastisch meinst oder eher nicht... haha, verzeihe mir mein "Auf-Dem-Schlauch-Stehen".
Ich nehme ein Mal Stellung zu deinen Punkten, vielleicht vereinfacht es mir ja das Verständnis:
1. Das hätte ich niemals gedacht, ich vertraue dir bei der Aussage!
2. Selbstverständlich habe ich die Lösungsansätze der anderen nicht entkräftet. Ich glaube ich verrenne mich hier tatsächlich in meinen Erklärungen! Ich habe die anderen angehört, aussprechen lassen und auch deren Vorschläge waren genauso wichtig wie meine und wurden in das Ergebnis mit einbezogen.
3. Also willst Du damit sagen, ich hätte nicht so handeln sollen? Also wäre es besser gewesen doch bei der Präsentation einzulenken, falls es nötig gewesen wäre? Hätte ich also nicht konsequent sein sollen, ist das ein Ausschlusskriterium? - Sprich kann das einen rauskicken? Was meinst Du hierbei mit "kleinen Stärken und Schwächen"? Verzeihe mir noch ein Mal dieses Missverständnis meinerseits.
4. Meinst Du das ernst oder sarkastisch? Das mit dem "Sekt kaltstellen" und dem anschließenden Smiley irritiert mich enorm.
Danke auch hier für Deine abschließenden Worte. Diese klingen sehr aufbauend und motivierend, wobei ich hier raushöre, dass Du denkst es sei für mich so gut wie gelaufen.
Gruß :-)
Hallo HaruMaru,
Bitte entschuldige, es war bei meinem letzten Kommentar ein kleines ironisches Augenzwinkern dabei.
Das kam, als du sagtes, es handeles sich um eine Position im Büro, also voraussichtlich ohne leitenden Funktion zu Beginn, was ich schon zu Beginn vermutet hatte.
So, wie du dich beschrieben hast und das ist hier halt immer der kleine Nachteil, hat man die betreffende Person nicht direkt vor sich. Du kamst mir sehr forsch, etwas überschiessend zielstrebig und leader-mässig vor.
Und das war für die Position sicher nicht ausschliesslich gewünscht. Hättest du dich als Abteilungsleiter der deutschlandweiten Gutachtensgruppe beworben, dann wäre es um blanke Ellenbogenmentalität gegangen und auch, dass man sich als Rudelführer beweisen kann.
Wie bei allen Anfängen, geht es bei solchen Bewerbungs-Events eher darum, einen guten Teamkollegen zu finden. Der darf Fehler machen, kleine Schwächen zeigen und nervös sein. Eben genau daraus wird dann im Kreis aller beteiligten Test-Begleiter, Arbeitspsychologen und den echten Fachleuten, entschieden wer das Rennen macht. Genau genommen, wird eben anhand der gemachten Fehler und kleinen Schwächen überlegt, wer am besten ins bestehende Team passt.
Mit den Fehlern konfrontiert, oder in die Falle gelockt(das hat man zielgerichtet im Vorstellungsgespräch mit dir gemacht), schaut man, ob man es mit jemandem zu tun hat, der alles entschuldigt und die Fehler bei anderen sucht, oder einlenkt und sagt: "Gut, nach allem was ich heute erleben durfte, war ich gerade unkonzentriert und irritiert. Ich bin nervös, weil das ist alles sehr neu für mich ist."
Bekomme ich diese Antwort mit ersichtlicher Einsicht, selbstbewusst, ohne duckmäuserig zu sein, dann hat er die Stelle.
So läuft das Spiel.
Ich zweifele nicht an, dass du dein Allerbestes gegeben hast. Nur wenn man so fest darauf fixiert ist, sein Allerbestes zu zeigen, dann geht der Mensch, der dahinter sitzt und künftig von Montag bis Freitag seine 40 Stunden plus Überstunden machen muss, dessen Persönlichkeit geht dann verloren. Aber diese Person soll ja eingestellt werden.
Künftig wirst du immer mal einlenken müssen. Selbst wenn du die beste Idee und den effizientesten Lösungvorschlag hattest: Der Chef hatte an dem Tag keinen nervigen Morgen...und dann muss man zähneknirschend einlenken. Wer dann als Grumpy-Cat daher kommt, hat verloren.
Es muss immer beides gezeigt werde: Deine Innovation, aber auch deine Fähigkeit, die Ansicht, die Fähigkeit, die Persönlichkeit anderer zu akzeptieren. Frei nach dem Motto: Im Zweifelsfall muss man aus Mist, Gold machen können und es noch so aussehen lassen, als wäre es die Idee des Chefs gewesen.
Ein Alpha-Wolf macht das nicht. Der Global-Player zieht trotzdem sein Ding durch und sorgt dann für betriebsbehindernde Konflikte.
Egal was aus dieser Bewerbung nun wird, das sind Dinge, die du beachten musst.
Ich wünsche Dir trotzdem von Herzem alles Gute. Und egal wies es kommt: Man lern ja nie aus.
Di Colonna
Hallo DiColonna,
ICH HABE IHN!!!!!!!!!
Das ist gerade echt unfassbar für mich :-DDDD
Danke Dir für Deine Bemühungen die ganze Zeit über.
Liebe Grüße :-)
Hallo lieber DiCollona.
Wow. Diese Antwort ist echt äußerst ausführlich weswegen ich dir auf jeden Fall sehr sehr dankbar bin.
Ich muss aber einiges was ich angesprochen habe richtig stellen:
1. Ich habe in dem Sinne die Mitbewerber nicht "an die Wand gefahren" :-D Ich glaube ich habe es falsch dargestellt - ich habe lediglich versucht einen roten Faden zu erzeugen an dem sich alle die gesamte Aufgabe über orientieren konnten. Sprich: jeder hatte seinen Redeanteil, jeder kam gleich viel zu Wort, ich habe lediglich viele Vorschläge und Anregungen gegeben mit denen die anderen einverstanden waren. Somit habe ich die Aufgabe "geleitet" :-) Die Gruppenaufgabe wurde übrigens laut Betreuerin "nicht bewertet", was ich mir aber nicht vorstellen kann. Ich gehe eher davon aus, dass es uns gesagt wurde damit wir uns nicht beobachtet fühlen. Auch war die Betreuerin von der Gruppenaufgabe eine andere als in den einzelnen Gesprächen. Diese waren räumlich abgetrennt voneinander und man kam somit immer mit neuen Gesprächspartnern in Berührung, die einen von vorher nicht kannten.
2. Ich kann mich nicht mehr erinnern ob es "falls" war, oder "wenn sie anfangen..." oder etwas ähnliches wie "wenn sie hier anfangen sollten..." war. Ich war zu aufgeregt in dem Moment...
3. Nicht verunsichern habe ich mich in der Präsentation der Postkorbaufgabe lassen. Sprich als mich mein Gegenüber gefragt hat, ob ich auch andere Lösungsansätze in Betracht ziehen könnte, habe ich gesagt, dass dies durchaus möglich sei, ich aber "diese Lösung als vorteilhafter sähe...", da dadurch meiner Ansicht nach mehr Struktur in der Sache drin sei.
4. Im Vorstellungsgespräch selbst (also das mit den Patzern usw.) habe ich mich durchaus verunsichern lassen und habe relativ schnel eingelenkt und versucht eine richtige Antwort zu geben nach kurzem Überlegen. Also war ich keineswegs ein Perfektionist an dieser Stelle.
Ich hoffe jetzt hast du eventuell ein besseres Bild von der gesamten Sache. Tut mir leid, wenn ich anfangs einen anderen Eindruck gemacht habe! Das war nicht meine Intention.
Gruß :-)
P.S. Beworben habe ich mich für einen Verwaltungsjob, also eher Büro und eher trocken.
In Vorstellungsgesprächen wird oft so angedeutet als würden die schon sagen das man dann im Sommer dort arbeitet, hatte ich bisher bei fast allen Gesprächen, aber das hat nichts zu heißen.
Warte ab, verlasse dich nicht auf die eine stelle und suche weiter nach einer Ausbildung. Die beobachten einen bei so einem Tag jede Minute, auch wenn "Pause" ist wird geschaut wie ihr untereinander mit den Mitbewerbern umgeht. Ob ihr eine stille Maus seid oder aktiv mit den anderen Redet. (das 1 wird in der Regel nicht gerne gesehen)
Abwarten und Tee trinken wie es weiter geht.
Noch eine Anmerkungen zu Punkt Nr. 3.:
Uns wurde bei der Begrüßung morgens angeraten wirklich konsequent bei unserer Präsentation der Ergebnisse zu bleiben. Das heißt "es gäbe kein richtig oder falsch, sondern nur Ihre persönliche Ansicht wie die Aufgabe richtig zu lösen sei."
Somit sollten wir stets bei unserer Ansicht bleiben und diese ehrlich und aufrichtig vertreten. Somit - Gesagt, gemacht! :-)
Und noch eine weitere Anmerkung:
Es gab keine Psychologe/in, zumindest hat sich uns eine/r nicht als solche/r vorgestellt.